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Tages-Anzeiger;
06.04.2009; Seite 46ges
Kultur
GES
JAZZ
Big
Zoom und Oliver Lake
ZŸrich,
Moods. - In der Literatur ist es selbstverstŠndlich, dass Schriftsteller šfter
eine Art Heimat in Form eines Verlags haben, man ist zum Beispiel
Suhrkamp-Autor (wenns gut bis sehr gut lŠuft); in der Musik hingegen ist man
das weniger gewohnt.
Und
doch gibt es auch im Zeitalter der zurŸckgehenden SchallplattenverkŠufe Labels,
die ÇihreÈ KŸnstler Ÿber die Jahre begleiten und ihre Wandlungen dokumentieren.
Gerade frei improvisierende Musiker in ZŸrich haben es in dieser Beziehung gut:
Mit dem Label Intakt Records haben sie einen RŸckhalt, den andere Jazzer, die
manchmal durch alle Maschen fallen, so nicht haben.
Zwei
Abende waren am Wochenende im Moods diversen Musikern aus dem Hause Intakt
vorbehalten - mit vier Konzerten, was auch vier Premieren entsprach: Nur schon
am Freitag, dem ersten Abend, konnte man bei einem Doppelkonzert verfolgen, wie
in ZŸrich an sich bestens eingefŸhrte Musiker wie die Schlagzeuger Lucas Niggli
oder Dieter Ulrich sich selbst kŸnstlerisch in einer stŠndigen Çwork in
progressÈ sehen - so auch fŸr ein Publikum spannend bleiben.
Lucas
Niggli hat seine Gruppe Big Zoom neu besetzt. Neben seinen alten WeggefŠhrten
Nils Wogram an der Posaune und dem Gitarristen Philipp Schaufelberger sind neu
der Kontrabassist Barry Guy und die hollŠndische Flštistin Anne La Berge dabei.
Wie
man das von ihm kennt, schreibt Niggli fŸr seine Gruppe suitenartige, lang
angelegte Kompositionen; mal lebt die Musik von Noise-Collagen und von
UnschŠrfen, mal ist alles punktgenau bis auf den letzten Akzent auskomponiert.
Am
stŠrksten schienen einem die neuen Big Zoom in den ganz leisen Passagen, wo die
feinen Querflštentšne Anne La Berges und die introvertierte Gitarre Philipp
Schaufelbergers ihre Wirkung entfalten und schwebende, rŠtselhafte
Klangtexturen entstehen konnten. Obwohl Niggli immer wieder Inseln schafft, wo
vielleicht nur zwei Instrumente spielen, ist seine Musik primŠr fŸrs
Gesamtensemble konzipiert; das Solistische ist erst in zweiter Linie gefragt.
Ganz
anders war dies beim zweiten Konzert des Abends. Mit dem New Yorker
Saxofonisten Oliver Lake, bekannt geworden als GrŸndungsmitglied des World
Saxophone Quartet, war hier eine sprudelnde, starke Persšnlichkeit am Werk, die
sich viel Raum nahm, um sich zu entfalten. Eruptive Tšne, nie nachlassende
Energie, Inspiriertheit, immer wieder †berraschungen: Der 66-jŠhrige Lake war
glŠnzend disponiert.
Das
Set mit dem Kontrabassisten Christian Weber, der selber ein kraftvolles
Temperament ist, und Drummer Dieter Ulrich geriet mitreissend. Eine CD des
Trios ist geplant - und schšn doch, wenn eine solch fruchtbare Kooperation von
ZŸrcher Musikern mit einem wichtigen schwarzen Freejazz-Saxofonisten
dokumentiert ist.
Christoph Merki