JAZZPREIS 2011 FÜR RUDI MAHALL Rudi Mahall wurde am 14. September 2011 den je zur Hälfte vom Land Rheinland-Pfalz und vom Südwestrundfunk (SWR) gestifteten Jazzpreis 2011, der mit 15.000 Euro dotiert ist, überreicht. Anschließend spielte der aus Nürnberg stammende Mahall ein Konzert im Duo mit der Pianistin Aki Takase sowie im Quartett Die Enttäuschung mit dem Trompeter Axel Dörner, dem Kontrabassisten Jan Roder und dem Schlagzeuger Uli Jennessen.
Preisverleihungsrede- SWR Jazz-Preis 2011, 14. September 2011, Kaiserslautern Von Rudi Mahall Beginnen möchte ich zuerst mit einer etwas unangenehmen Angelegenheit. Den superschlauen Internetnutzern unter Ihnen ist vielleicht schon aufgefallen, dass die nachfolgende Band von dem im März vorveröffentlichten Ankündigungsgerücht des Konzerts abweicht. Und nun zu den heiteren Dingen des Lebens. Es ist mir eine große Freude, zuallererst einmal die Jury zu loben, die sich ganz entgegen der bei einigen Entscheidungsträgern üblichen Kulturförderungspolitik entschieden hat. Ich würde diese Politik wie folgt beschreiben: Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, haben nicht wenige große Festivals oder auch die kommerziell orientierten Plattenfirmen (hier möchte ich ausdrücklichst Herrn Landolt von Intakt als leuchtendes Gegenbeispiel hervorheben) eine Gemeinsamkeit, nämlich eine Entmusikalisierung ihrer Programminhalte, damit meine ich, dass für solche Veranstaltungen die Qualität der Musik nicht mehr das einzige Kriterium ist, sondern ob die Musik auch außermusikalische Inhalte transportiert. Dadurch werden gezielt sogenannte Projekte gefördert, etwa völkerverbindender Natur, egal, Hauptsache, die ganze Sache ist was spezielles, aufregendes, eben einzigartiges. Damit reiht man sich ein in die Vermarktungsstrategien großer Lebensmitteldiscounter, wobei aus den Superspar-Asien-Woche das Jazzfestival mit Programmschwerpunkt Mongolei (o.ä.) wird. Mit dieser Veranstaltungspolitik werden dann bombastische Strohfeuer gezündet, die Projekte existieren meist nur einmal und nur für dieses Festival/ Plattenaufnahme, und nicht zuletzt wird das Publikum für dümmer gehalten, als es tatsächlich ist. Wie sie jetzt an der heutigen Programmgestaltung sehen: wenn Sie mich fragen, bin ich fest davon überzeugt, dass Musik in erster Linie ihre Schönheit dem hohen Abstraktionspotential verdankt, will meinen, Musik muß absolut nichts ausdrücken, was mit Worten oder Bildern besser auszudrücken wäre. Und je länger man dann an diesem innermusikalischen Ausdruck arbeitet, desto intensiver wird die Angelegenheit. Logischerweise ist es deshalb eine gute Idee, mit möglichst denselben Musikern über Jahre hinweg eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, und das hat meines Erachtens die hochverehrte Jury des SWR erkannt. Gratulation meinerseits! Es gibt also nicht nur unter den Musikern und dem Publikum, Leute, die Musik an sich lieben und nicht das Drumherum ( = neudeutsch Event). Apropos Mitmenschen. Nach Bekanntwerden meines Triumphes über das Böse gab es durchaus nicht nur die anfangs beschriebenen Neidausbrüche meiner Kollegen, sondern auch freundliches Schweigen unter den Journalisten der Fachpresse, nahm ich doch an, ab jetzt berühmt zu sein, mich vor Interviewanfragen nicht mehr retten zu können, hier irrt der Betrachter. Hat jemand von Ihnen eine Ahnung, woran das liegen könnte? Im Gegensatz dazu: Eitelsonnenschein unter den mir freundlich gestimmten Musikern. Was verwundert, sieht man, mit wie wenig Akzeptanz der gemeine Jazzer zu kämpfen hat, kommt er doch als verarmter Außenseiter der Gesellschaft in der medialen Berichterstattung fast nur noch für Leute mit Schlafstörungen vor. Das Resultat: da Ottonormalbürger, von wenig Gewissenpein heimgesucht, gut schläft, kennt kein Mensch mehr diese Musikform. Macht aber auch nichts. Schließlich haben wir als Außenseiter gar nichts anderes erwartet (wer hat sich überhaupt für diesen Beruf entschieden, ist Jazzmusiker eigentlich ein Beruf?) , aber wir machen weiter, die wenigsten von uns haben auch was Vernünftiges gelernt, sonst alles Schulabbrecher, Sonderschüler oder wie in meinem Fall Möchtegern-Diktatoren. Und wem gefällt es wohl nicht, etwas ganz besonderes (in manchen Füllen auch etwas ganz besonders doofes), etwas elitäres zu tun. Fazit: Wir müssen gar nicht unbedingt dazugehören! (bis auf einige Gitarristen und Schlagzeuger, die, vielleicht instrumentenbedingt, sicher aber Opfer der männlichen Wechseljahre, der jugendlichfrischverblödeten Popmusik in Shorts und bedruckten T-Shirts hinterherlaufen). Sie sehen: den Jazzmusikern hierzulande geht es, sofern sie nicht von unrealistischen Erfolgsträumen verhärmt sind, immer noch zu gut. Um zu verhindern, dass meine Kollegen an Übermut und guter Laune seelischen und körperlichen Schaden nehmen, opfere ich mich hiermit auf und nehme den immerhin mit einigem Abstand wichtigsten, begehrtesten, bedeutensten, nur den Besten vorbehaltenen, hochdotierten und bei Funk und Fernsehen bekannten und beliebten Jazzpreis der SWR-Sendeanstalt dankend entgegen. |