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CD-REVIEWS
Ulrich
Gumpert.
Quartette. Intakt CD 127
In
Gumperts Musikzimmer am Schiffbauerdamm
Ulrich Gumpert is also a
member of the great Zentral Quartett, who have four discs out on Intakt,
as well as once have a duo offering with Steve Lacy on Sound Aspects.
The saxist here, Ben Abaranel-Wolff can be heard on a CD by Sirone on
Not Two. Bassist Jan Roder was last heard on that great triple disc
from Alex Von Schlippenbach called 'Monk's Casino'. The drummer, Michael
Griener, has worked with worked with Andreas Willers and can be heard
on a recent quartet disc from Carl Hubsch, reviewed elsewhere in this
newsletter. This is one great quartet, they erupt right from the first
note and take off right from there. The opening theme has quite a memorable
head, swings hard and both the piano and tenor take powerful, crazed
solos. Mr. Abaranel- Wolff is American-born and currently lives in Berlin,
His playing is inspired and intense, his tone warm, yet swaggering at
times. He is a perfect match for Mr. Gumpert, who done an amazing job
of balancing the in and out simultaneously. The bassist and drummer
also work well with Ulrich as he speeds up, slows down, swings hard
or free. Bassist, Jan Roder, takes a few excellent contrabass solos
and is matched just right with the drummer on a coupe of the solos no
matter how far goes out or in. What I find most interesting is that
most of these tunes are oddly Monk-like in the way they move in their
own twisted way, yet they don't sound like any real Monk song. This
is one of the exuberant and fun-filled jazz recordings I've heard recently.
Too bad that lame-assed "straight ahead" jazz station, WBGO,
isn't hip enough to play something as groovy as this. Oh well, I know
you are hipper than them. -
Pianist Ulrich Gumpert takes
a page from the same playbook as the Scandinavian band Atomic in cobbling
a collective persona for his new quartet. Both ensembles are the partial
product of the players’ voluminous music collections. The disc’s
notes detail Gumpert’s daily routine of poring over his library-sized
holdings, pulling jazz LPs and cds from the shelves and steeping himself
in the aural record from Dixieland to New Thing. Gumpert’s compositions
are similarly patch-quilt, skipping over such tenuous style boundaries
as swing, bop and free jazz and coming up with a cache of curvy, topsy-turvy
tunes that rarely show their seams and pack a potent bite. A few of
the selections borrow from the songbook of the Zentralquartett, Gumpert’s
better-established outlet on Intakt. Several others reference his band
mates in that more venerable venture. Despite correlations in repertoire
and ears inclusive of earlier forms, the newer group is definitely its
own entity.
Die neue (eigentlich namenlose)
Band des Pianisten Ulrich Gumpert ist ein Quartett, seine aktuelle CD
nennt sich entsprechend "Quartette". Bekannt wurde Gumpert
ebenfalls als Mitglied einer Viererformation, des "Zentralquartetts".
Ist letzteres eine Ikone des deutschen Free-Jazzes, so bewegt sich Gumpert
auf "Quartette" in etwas milderen Bahnen. Seine Mitmusiker
für dieses Unterfangen stammen durchweg aus der jüngeren Berliner
Szene.
Seit dem Deutschen Jazzpreis
2005 hat sich herum gesprochen, dass ULRICH GUMPERT (*1945, Jena) einiges
mehr geleistet hat, als im Zentralquartett Klavier zu spielen. Obwohl
das ausreichen müsste für ein Plätzchen in der Jazz-
Ruhmeshalle. Aber zu seinen Meriten gehören eben auch Satie-Interpretationen,
auf den Punkt al dente, oder die Filmmusik für den von Günter
Lamprecht verkörperten Berliner Tatort-Kommissar Markowitz (1991-95).
Eine Folge hieß Berlin - Beste Lage und dieser Werbespruch scheint
insbesondere junge Jazzer angesprochen zu haben, den Drummer Ulrich
Griener, der 1994 aus Nürnberg, oder Jan Roder, Bassist von Die
Enttäuschung, der ein Jahr später aus Lübeck kam, sogar
den Tenorsaxophonisten Ben Abarbanel-Wolff, den es 2001 von Washington,
D.C. an die Spree zog und der dort im Sirone Quartett und als Leader
eines eigenen Fuß gefasst hat. Diese Drei spielen nun zusammen
mit Gumpert seine Quartette (Intakt CD 127), darunter, in Reminiszenz
an alte Brainstormingtage mit den Synopsis / Zentralquartettfreunden
Sommer, Petrowsky und Bauer, die ‘Conference at Baby‘s‘,
‘...at Luten‘s‘ & ‘...at Conny‘s‘,
verqualmte, hochprozentige Liebeserklärungen an die Cats, von denen
die inspirierenden Impulse- und Blue Note-Klassiker stammen, die sich
dabei auf den Plattentellern in der Christburger Straße am Prenzlauer
Berg bei Baby oder Conny drehten oder bei Petrowsky, der Richtung Flughafen
Schönefeld hauste. Gumpert hat sich mit seiner Sammlung von Vinylpreziosen
am Schiffbauerdamm festgekrallt, mit Blick auf Brechts Hinterkopf, und
beschreibt sein Lebensumfeld in ‘Blue Circus‘. ‘Von
Hier und Anderswo‘ pfeift mit Wehmut ein Lied aus vergangenen
Tagen. ‘Circulus Vitiosus‘ ist, was es heißt, ein
18-faches Play it again von 16 Takten, so wie Gumpert in endlos blauen
Stunden die Motive seiner Helden umkreist, Coltrane, Coleman, Mingus,
Miles, Cherry. Er kopiert keinen und doch sind sie alle gegenwärtig,
die quecksilbrigen Geister aus dem Five Spot Cafe oder dem Village Vanguard.
Die Quartette geben dem Stoff jeweils einen Dreh, der das Original aufschimmern
und wie neu erscheinen lässt, wobei Abarbanel-Wolff vollmundig
wie ein ‚Alter‘ auftrumpft. Gumpert splittert dazu stahlblanke
Pingkapriolen, grobe Richtung: Mengelberg oder Schlippenbach. Er war
die treibende Kraft hinter Aus teutschen Landen gewesen und konnte dabei
zeigen, dass Jazz im Grunde eine bestimmte, durch Erfahrungen der Migration
und Verstädterung hindurch gegangene Weise ist, Volksmusiken rhapsodisch
aufzupeppen, zu ‘Verzigeunern‘, zu ‘Amerikanisieren‘.
Ganz Berlin könnte davon ein Lied singen. Statt dessen gefällt
man sich als überdimensioniertes Sandbrötchen aus Hirschhornsalz
und Zuckerguss. Bei Gumpert gibt es kein ‘Hier‘ ohne ein
'Anderswo‘.
Reiner Kobe, Jazzpodium, Juli/August 2007
Was an Ulrich Gumperts 2005
in dieser Form gegründetem Quartett sofort besticht, ist der hohe
Energielevel, auf dem gespielt wird, wobei es den Musikern dennoch gelingt
nicht nervig zu wirken. Man hört sich diese Platte mit großem
Vergnügen an, weil man spurt, dass Gumpert (Piano, Kompositionen),
Ben Arbabanel Wolff (Tenorsax), Jan Roder (Bass) und Michael Griener
(Schlagzeug) ebenfalls großes Vergnügen beim Spielen hatten.
So einfach ist das, trotzdem keine Selbstverständlichkeit. Gumpert
widmet seinen drei Kumpels vom Zentralquartett je ein Stück, lässt
bei "Vom alten Lager" und "Circulus Vitiosus" monkische
Töne anklingen und thematisiert seinen Wohnort mitten in Berlin
mit "Blue Circus". Die von Klavier und Saxofon unisono vorgestellten,
quirligen Themen setzen sich ebenso angenehm im Gedächtnis fest
wie die individuellen solistischen Statements aller vier Musiker.
Strongly recommended
So lebendig, so inspiriert
und frisch wie mit diesem Quartett hat man den 62-jährigen ostdeutschen
Pianisten Uli Gumpert schon lange nicht mehr gehört. Das mag daran
liegen, dass der Pianist, der mit seiner Ulrich Gumpert Workshop Band,
mit Synopsis und dem Zentralquartett in den 80er Jahren zu den grossen
Namen der DDR-Free-Jazzszene gehörte, hier mit jungen Musikern
zusammenspielt, die gut eine Generation jünger sind. Sie spielen
völlig unbelastet von den Kämpfen, welche die Musik der Alten
geprägt hat - musikalisch gegen den Mainstream, politisch gegen
die DDR-Kulturbonzen, die im Jazz den Geist der Rebellion witterten.
Vor allem der 32-Jährige Saxofonist Ben Aberbanel-Wolff, der in
den USA bei Reggie Workman und Milford Graves studiert hat und sich
unbekümmert zwischen Postbop und Freejazz bewegt, ist eine Entdeckung.
Auch wenn Gumpert einige seiner Kompositionen offenbar aus dem frühen
Repertoire des Zentralquartetts übernommen hat, klingen die Stücke
hier etwas konventioneller, mit vielerlei Bezügen insbesondere
zu Monk. Kein Zufall: Auch Gumpert war immer schon wie Monk ein eher
introvertierter Musiker, der seine störrischen, fragmentierten
und oft sparsamen Linien mit Bedacht setzt, der es liebt, einzelne Motive
zu drehen und zu wenden und das Kantige, Knorrige der virtuosen Geschmeidigkeit
vorzieht. Dazu macht die Rhythmusgruppe gehörig Druck. Das tut
Gumpert, der in den letzten Jahren eher schwermütig wirkte, hörbar
gut.
Es ist ein grosser Unterschied
zwischen den Genres: Jazzmusiker dürfen in Würde altern und
müssen nicht wie die Ostrock-Kollegen peinlich jung sein wollen.
Ulrich Gumpert zum Beispiel hat diese wunderbare. ja grandiose CD mit
drei eine ganze Generation jungeren Musikern eingespielt und ist wieder
Mentor. Der blickt in acht Eigenkompositionen zurück nach vorn,
zurück zu Monk, nach vorn in eine quicklebendige Spielkultur, die
Free-Jazz-Erfahrungen an die Leine legt. Clustersatte Improvisationen
auf singbare Themen, oft unisono von Klavier und Saxofon. Reif und kein
bisschen verstaubt.
Pianist Ulrich Gumpert was
another name on the roster of the FMP label back in the early 1970s,
and the fire and excitement are still there on Quartette, recorded
in Berlin last August. He's joined by three younger musicians: tenor
saxophonist Ben-Abarbanel-Wolff, who has studied with Milford Graves,
Reggie Workman and other luninaries, is pungent and expressive, while
bassist Jan Roder and drummer Michael Griener are thoroughly schooled
in German free jazzz feistiness. Gumpert is another pianist of his iconoclastic
generation now paying dues to the real pathfinders – tribute toThelonious
Monk is paid pervasively here, not least on the closing "Circulus
Vitiosus". But he knows how to take it elsewhere, how to keep it
relevant and conserve the urgency.
Der lange als anarchisch
gepriesene DDR-Jazz hat glücklicherweise überlebt. Mit Pianist
Gumpert tut sich ein Altmeister («Zentralquartett») mit
Nachgeborenen aus Lübeck, Nürriberg und Washington zusammen..
Rolf Thomas, Jazzthetik, September 2007
Bruce Carnevale, Stadtrevue, Oktober 2007
Interview mit Uli Gumpert. Reiner Kobe, Jazzpodium, Oktober 2007
German pianist Ulrich Gumpert
incorporates the vitality of youth into this dazzling progressive jazz
set, featuring young artists from the Berlin jazz scene. This quartet
abides by a fire and brimstone credo, built upon snap, crackle and lots
of pop. Yet one of the equalizers of the band’s thrusting impetus
pertains to its ability to generate airy and sparse bop movements, often
acting like a counterbalancing agent of sorts. Jean Buzelin, Jazzman, Paris, 10/2007
Bruce Carnevale, Coda, Canada, Sept. / October 2007
Dieses Quartett sorgte 2005
zum JazzFest Berlin für Aufsehen, als Ulrich Gumpert den Mangelsdorff-Preis
verliehen bekam und aufspielte. Herrlich ungezwungen swingt die Gruppe
nun von CD. Das alte Zentralquartett ist nicht so fern. Immerhin zollt
Gumpert mit drei Nummern Tribut an die Weggefährten Baby, Luten,
Conny. Die ersten Solonoten am Klavier jedoch sind für Satie. Es
gibt freundliche harmonische Wendungen. Überraschende Rhythmik,
abgehacktes Piano. Spröde das Saxophon, tief mit Stimme durchdrungen.
Roders störrische Läufe bis zum gebrochenen, berstenden Ton
– natürlich mit Griener im Verein, da wo es fantastisch ebbt
und jeglicher Taktakkord verschrubbt, bis zur nächsten Hymne. Schmutzige
Cluster perlen im Relief der Tastatur. Eine zur Perfektion getriebene
Ungenauigkeit im Anschlag. Solch ein Dreck ist die wahre Unschuld im
Jazz, der tief in die Geschichte dieser Musik blickt und dabei den ganzen
Gumpert umfasst.
Hier geht's rund. Das klingt
wie Disneys Lustige Taschenbücher oder wie eben - genau - eine
Gumpert-Scheibe. Der Mann hat das Ikonenbild des ostdeutschen Improvs
längst verlassen, den Rahmen leer hängen lassen und streitet
sich seit jeher munter und mit offenen Sinnen durch die Welt. Geboren
in Jena, studierte Gumpert zunächst Waldhorn, um 1964 wegen ungenügender
Leistungen im Fach Marxismus-Leninismus exmatrikuliert zu werden. Tja,
damals waren Musiker eben schon mal gerne linksmodern und schon mal
gar keine Streber-Staatssozialisten. Später sattelte Gumpert auf
Klavier um, blieb ein Freigeist, spielte Jazzrock, später immer
mehr FreeJazz, und konnte 1980 endlich sein Amiga-Debut aufnehmen. Dann
kam das legendäre "Zentralquartett', dito viel Free-Spiel.
Wilde Zeiten. Von da bis hier ist's ein langer, aber trotz aller Umwege
und Stationen ein zielgerichteter Weg. Sein aktuelles Quartett ist geprägt
durch das Unisonospiel mit dem jungen Tenorsaxspieler Ben Abarbanel-Wolff,
der bei Milford Graves und Reggie Workman studierte und seit einiger
Zeit in Berlin lebt, den intelligent-aufmerksamen, präzisen wie
federleichten Drumsticks von Michael Griener, mit denen Gumpert schon
seit 10 Jahren spielt, und dem gelassenen Bass von Jan Roder (u. a.
Die Enttäuschung). Die 8 Stücke, aufgenommen, gemixt und gemastert
an drei Tagen im August 2006, haben einen sagenhaften Flow, der den
Mainstream immer mal wieder zum Stocken bringt, und eine dermaßene
Tightness, wie man sie sich bei freigeistiger Musik heute nur noch wünschen
kann. Sagenhafte Scheibe - da klingt nichts bemüht komplex und
widerborstig, sondern alles folgt einer enorm lebhaften gemeinsamen
Bewegung. Freiheit schwingt und klatscht und reicht die Hände und
lässt die Moderne weit hinter sich. Und? Sind sie schon links,
oder noch modern?
Luc Bouquet, Improjazz 142, Février 2008
Das Trio des 67-jährigen Pianisten Ulrich Gumpert, erweitert um den Schweizer Saxofonisten Jürg Wickihalder, mag unter dem Motto "Vom alten Lager" auftreten. Alt ist aber vor allem das Material, mit dem sich der Ost-Berliner Free-Jazz-Pionier im Aufsturz präsentiert: Es reicht zurück bis in die Zeit der 1973 gegründeten Band Synopsis, dem Vorläufer des legendären Zentralquartetts. Ewig jung aber ist Gumperts Improvisationslust, und immer noch jung sind seine Mitmusiker, der Bassist Jan Roder und Schlagzeuger Michael Griener, der als Drummer mit Themroc 3 schon den ersten Teil vom Jazzkeller 69 bestritten hat. Beide sind Jahrgang 1968. Zu Beginn gibt es "Conference at Baby's", dem Freund und Perkussionswunder Günter "Baby" Sommer gewidmet: Gerade ist von den beiden die großartige Duo-CD "La Paloma" (Intakt Records/Harmonia Mundi) erschienen. Bei den "Konferenzen" ging es damals hoch her. Man soff, redete, stritt auch! und genoss die Freiheit der Musik – als Ausgleich zur Enge der DDR. Das Thema "Vom alten Lager" spielen bei Gumpert Klavier und Saxofon im Unisono: Was er einst bei Ornette Coleman und Don Cherry hörte, hat er in sein musikalisches Konzept übertragen.
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