INTAKT
RECORDS
CD-REVIEWS
TOMMY
MEIER ROOT DOWN
THE MASTER AND THE RAIN
Intakt CD 181
Afrika ist, auch
wenn anlässlich der Fifa WM verstärkt touristische Blicke
dorthin gerichtet wurden, aus Aasgeierperspektive weiterhin der Schwarze
Kontinent, Rohstoffquelle, von Warlords, Raubbau, Dürre, AIDS bereiteter
Gabentisch. Schauder und Mitleid liegen dennoch im Widerstreit mit Faszination.
Serengeti, Tarzan und Fela Kuti sind zwar perdu, aber die Sehnsucht
frischt sich immer wieder selber auf. Weil es da einen Klang gibt, so
unwiderstehlich, als sei man pränatal davon geprägt. ROOT
DOWN, TOMMY MEIERs großformatige Swiss-Allstar-Formation, mit
Irène Schweizer, dem Keyboarder Hans-Peter Pfammatter, Michael
Flury an der Posaune, zwei Trompetern, Reeds dreifach, Kontra- und E-Bass
je doppelt, Doppelschlagzeug, dazu Gitarre und Turntables, hält,
live im Zürcher Jazzclub Moods, die Sehnsucht nach Süden wach
mit je zwei Songs von Chris McGregor und Fela Kuti, denen Meiers eigene
Stücke auf The Master and the Rain (Intakt CD 181) nacheifern.
Meiers Begeisterung ist weit mehr als nur oberflächlich. Ich teile
sie als Africa Festival-animierter Würzburger gern. Aber es bleibt
das Unbehagen, dass Afrophilie und Fairness auf einem, Gier und Korruption,
Unfair Trade und schmutzige Geschäfte mit Rohstoffen, Waffen, Fischen,
Blumen, Frauenfleisch auf einem ganz anderen Blatt zu stehen scheinen,
während die Profite auf diskreten Schweizer Banken landen. Kuti
hat das immer klar benannt: "Colonial Mentality", "No
Agreement". Meier tut es ihm nach - "Ogoni" verweist
auf die Opfer des Zusammenspiels der nigerianischen Machthaber mit Shell
und jenen, denen Benzin nicht billig genug sein kann. "Busch"-Trommeln,
eine alarmierte Trompete und Turntablesamples von Trixa Arnold, durchwegs
ein Mittel der Irritation, schaffen Erregung und Brisanz. Auf das im
Verborgenden lockende "The Forbidden Land" folgt die erste
Dosis Afrobeat, der Meiers Arrangement freilich etwas den Biss nimmt.
Er lässt lieber Kamele tanzen (McGregors "Camel Dance"),
dämpft die Schritte mit Sand, hinter Schleiern von Wind, Hitze,
Regen ("The Veil", "Across the Sands", "The
Rain Pt. II") oder dem katzenzungigen Summton seiner Bassklarinette
("The Root"). "The Bride" ist swingende Brotherhood-Of-Breath-Blasmusik
mit noch hoffnungsfrohem Sopranogesang der Braut (Co Streiff). Auf das
kraus wuchernde und umeinander geisternde "Jackals, Children, Everything"
folgen das hymnische "Invocation" und, in seinem Optimismus
nicht ganz ungeschoren, der zweite Fela-Groove. Zum Ausklang schält
sich aus knisterndem Feuer das Jajouka-inspirierte "The Master"
mit flehender Trompete, munter quirlendem Piano und zuletzt Meiers Zurna
zu Sufi-Tamtam.
Fredi Bosshard, WOZ, Schweiz, 16. September 2010
Manfred Papst, NZZ am Sonntag, Schweiz, 19. September 2010
Christoph Merki, Tagesanzeiger, Schweiz, 21. September 2010
Swiss-born reed
man Tommy Meier's immersion into African jazz dips into a body of music
covering three continents touched by the African diaspora of people
and sound. A follow-up to Root Down (Intakt, 2008), his Root Down orchestra's
The Master And The Rain, once again, offers a large ensemble update
on the music of Fela Kuti and Chris McGregor, along with nine of Meier's
own compositions.
Frank von Niederhäusern, Kulturtipp, Schweiz, Oktober 2010
Martin Schuster, Concerto, Österreich, Oktober/November 2010
Tom Gsteiger, St. Galler Tagblatt, 6.Oktober 2010
Wolfram Knauer, Jazzpodium, 11/2010, Deutschland
Mit „The Master and the Rain“ schlagen wir das zweite Kapitel der Fortsetzungsgeschichte des Afro-Jazz made in Switzerland auf. Eine aktualisierte Reminiszenz an die Zeit, als Chris McGregors Brotherhood of Breath aus Südafrika in der Eidgenossenschaft residierte. Als sich der Jazz, die Kwela- und die Great Black Music mit dem politischem Bewusstsein des Antikolonialismus vermählten. Eine Reminiszenz aber auch an Tommy Meiers Afrika-Erfahrungen, die Reisen nach Westafrika, Namibia und Zimbabwe, das Erlebnis von Fela Kuti live im „Shrine“ von Lagos und der Masters of Jajouka in Marokko. Das alles fließt ein in Meiers eigene Kompositionen und in die Interpretation solcher von McGregor und Kuti, hier dokumentiert anhand von zwei Live-Mitschnitten aus dem Zürcher Jazzclub Moods. Wie schon im ersten Kapitel von Root Down (siehe freiStil #19) kultiviert das vielköpfige Team von Tommy Meier samt Gästen einen sogenannten afrikanischen Zeitbegriff zugunsten der Entfaltung der Schönheit dieser Musik. Root Down pickt sich nicht einfach, wie die Schnellschussverwurster es tun, die Highlights heraus, sondern emanzipiert geduldig den Prozess ihrer Entstehung und ihres Echos. Das entspricht nicht nur den thematischen, sondern auch den Maßgaben des Timings. So werden wir Ohrenzeuginnen des so nützlichen wie selten anzutreffenden Verhältnisses von Spannung und Entspannung, von Hitze und Coolness. Kein Hudeln, kein Stress, aber selbstverständlich auch „No Agreement“, mit dem Fela Kuti die Ideologie von Root Down vorgibt. Fortsetzung folgt. Hoffentlich.
Appropriation of voice has become a serious concern in the arts over the past few decades, with various groups charging that others – usually First World Caucasians – are stealing their history for their own purposes. Although this situation is more often expressed when it comes to visual arts and literature, so-called World music performers can be equally suspect. This introduces a problem that could affect saxophonist Tommy Meier's Root Down ensemble. Made up in the main by Swiss players, the 14-piece band's repertoire is either directly taken from, or is adaptations of, African material.
Auch nicht zu verpassen: die neueste African-Roots-Exegese des 16köpfigen Zürcher Orchesters. Bei allem Respekt für die frühere und bisherige Arbeit von Root Down - so gut, kompakt, frisch und überzeugend klangen sie noch nie zuvor. Jetzt macht die Sache langsam RICHTIG Spaß. Neben einigen früheren Stücken überzeugen die subtilen Umschichtungen in Klangfarbigkeit, Dynamik und Arrangement. Tommy Meier, der die afrikanische Musikkultur in verschiedensten Facetten kennt, schätzt, liebt, ist mit diesem Ensemble zu einem der wirklich ganz großen europäischen Transformatoren dieser Musik herangereift. Zwei Fela-Kuti-Klassiker ("No Agreement Today" und "Colonial Mentality") in neuem Arrangement machen die Sache dann so wirklich rund. Das rollt und geht, und welche Geschichte(n) können wir in all den Entwicklungen und Zwischentönen hören. Ganz großartig und ohne Aussetzer unbedingt empfehlenswert!
An odd development in international Jazz history, involves the receptiveness of the landlocked country of Switzerland to the African impulse in Jazz. When he immigrated to Europe, Abdullah Ibrahim brought his trio to Zurich where he found initial international success. Throughout the '70s, bands like Chris McGregor's Brotherhood of Breath and Ibrahim's Ekapa and musicians like Johnny Dyani, Mongezi Feza, Fela Kuti, and others were frequent performers at Swiss music festivals. And, more importantly, elements of their music crept into the styles of various players. Most notable is avant-garde pianist Irene Schweizer who incorporates passages of African rhythms and harmonies into her solo piano recitals that demonstrate a profound influence that style of music has had on her music.
Se nello specchietto retrovisore si stagliano le sagome di Fela Kuti e Chris McGregor, se prima si tira in ballo l'Andrew Hill di Compulsion e poi si chiamano a raccolta i Masters Musicians of Jajouka, è chiaro che si sta parlando d'Africa. L'Africa vista dalla Svizzera, e raccontata dai Root Down, ovvero l'orchestra varata nel 2004 dal sassofonista-clarinettista Tommy Meier e giunta alla fatica numero due dopo l'omonimo esordio pubblicato, sempre dalla Intakt, nel 2007.
Op Tommy Meiers debuut uit 2008 klonken vooral zijn eigen composities met een unieke blend van Europese (big band) jazz en Afrikaanse muziek lekker. De twee covers van Afro Beat god Fela Kuti waren toen nog te slaafs en dus gespeeld met de bilnaad stevig dichtgeknepen. Ook op deze nieuwe 'The Master And The Rain' vind je opnieuw twee Fela Kuti tracks, maar deze keer is Meier zeker genoeg om zijn eigen concept ook hier toe te passen. En zo klinkt ook Kuti alsof Duke Ellington er zich mee bezig heeft gehouden. Jungle Music zoals de grootmeester het wel wou. Ook van ander idool Chris McGregor alweer twee tracks. En ook hier een veel relaxtere, zelfzekerdere aanpak. Primitief en opzwepend maar verfijnd, vooral door het heerlijk uitspelen van de leden van zijn 13 (tot 20) muzikanten. Afsluiter "The Master" is een hoogtepunt dat start met heerlijk krakend vinyl van klanken en ritmes uit de Sahara. Meier bouwt vandaar in alle rust op tot sfeer, avant jazz, en pure Afro samenkomen tot een eigen geheel. De perfecte synthese van een stevige, sfeervolle en boeiende plaat. |