INTAKT RECORDS – CD-REVIEWS
STEPHAN CRUMP / STEVE LEHMAN
KALEIDOSCOPHE & COLLAGE
Intakt CD 184
Beat Blaser. Kulturtipp, Schweiz, 5/11
ner., Neue Zürcher Zeitung, Schweiz, 25. Februar 2011
Der New Yorker Altosaxophonist STEVE LEHMAN ist mir zuerst im Umfeld von Anthony Braxton zu Ohren gekommen, eine Verbindung, die er in Projekten mit den Braxton-Sidemen Kevin O'Neil und Kevin Norton vertiefte. Ab 2004 fungiert er auch als Leader eigener Formationen, mit dem Trompeter Jonathan Finlayson und Drummer Tyshawn Sorey als Konstanten. Seine Bekanntschaft mit dem Bassisten STEPHAN CRUMP rührt her von Ophiuchus Butterfly (2006), einer Sextett-Einspielung von Liberty Ellman. Crumps extrasonorer Ton machte inzwischen im eigenen Rosetta Trio (mit Ellman) Furore, ebenso wie in dessen Quartet und in Vijay Iyers GRAMMY-nominiertem Trio. Was mich ein wenig verwundert, ist, dass diese - 2008 - für Kaleidoscope & Collage (Intakt CD 184) vereinten Stimmen weit weg von Brooklyn nun auf Intakt erklingen. Lehman ist, wie man bei den nur zwei, dafür entsprechend langen Improvisationen ‚Terroir' und ‚Voyages' ausgiebig studieren und genießen kann, entgegen Vermutungen, die seine Braxton-Connections weckten, ein großer, für einen Altoisten auch vollmundiger Melodiker und Lyriker. Vielleicht trifft Sänger es sogar noch besser, was nicht ausschließt, dass er auch repetitive Passagen anstimmt, die er mit Klappengeräuschen akzentuiert, oder dass er nur noch Luft brustet zu allerfeinstem Bassgezirpe. Crump gehört zu den Könnern, die ihren Bass singen lassen können, zum Auftakt und zum Ausklang sogar ein Wiegenlied, wie vom Taschentuchbaum - Davidia involucrata, wer's nicht glaubt - gepflückt. Sanglichkeit also, aber verbunden mit einem runden TON, einem federnden PLONK-Puls, vollfett und wie gemalt. Oder wie geklopft, wie bei zwei perkussiven Passagen von ‚Terroir', nach denen Crump als munterer Wandersmann weiter marschiert und dabei sogar summt. Arco ist er nicht weniger eindrucksvoll, ob mit melancholisch zartbitterem Vibrato oder bärigem Gebrumm. ‚Voyages' bringt besonders träumerischen Gesang zuerst, der aber umbricht in ein gezacktes Espressivo zu pulsierendem Dumdum. Dem folgt abrupt eine cellistische Tirade zu gießkannigen Schieftönen. Dann brummt und summt es wieder sonor... Man sieht schon, die Reise verläuft episodenhaft und springt von Attraktion zu Attraktion. Wer zu lange romantisch glotzt, gerät aus dem Gleichgewicht. Rigobert Dittmann, Bad Alchemy 69, 2011
Tor Hammerø, Side 2, March 8, 2011, Norway
The meeting of two musicians, both innovative composers and passionate organizers, for an album of improvisation, yields something incapable of being classified as either free jazz or, for that matter, composed music. Kaleidoscope & Collage finds bassist Stephan Crump and saxophonist Steve Lehman presenting two lengthy meditations on sound that don't want for ideas, crisp musicianship or locomotion. Both players have garnered critical recognition this past decade as leaders, composers and instrumentalists. Crump leads his own Rosetta trio and is a member of the Vijay Iyer Trio, Rez Abbasi Acoustic Quartet, Jim Campilongo Electric Trio, Jen Chapin Trio, Liberty Ellman Quartet and Joel Harrison's Harbor. Lehman's saxophone was noticed in bands led by Anthony Braxton and Vijay Iyer. His octet release Travail, Transformation and Flow (Pi Recordings, 2009) is a modern classic recording that bridges Braxton, Eric Dolphy and Steve Coleman. These
two tracks were recorded over the course of five sessions, then
collaged together by Crump to create a cogent and consistent document.
The pair trade off the time keeping duties throughout with one player
maintaining a pulse for the other to extemporize over. Crump can coax a
walking bass line, tap a rhythm, or send bowed energy towards Lehman.
For his part, the saxophonist favors both sharp and biting notes and,
also, repeated pulses that can carry the momentum forward. By cutting
and pasting these sessions together, the disc never meanders or loiters.
Christoph Wagner, Jazzthetik, Deutschland, März/April 2011
John Fordham, The Guardian, UK, March 10, 2011
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Ich
war schon länger neugierig zu hören, was aus dem Wunderknaben Steve
Lehman denn so geworden ist. Und es ward gut, kann man nur sagen. Mit
Eloquenz und scheinbarer Leichtigkeit wird das Vokabular des
Improvisationskünstlers am Holzblasinstrument verwendet, werden
Tradition und Modernität mit der Integrität des authentischen Musikers
zu Gehör gebracht. Ihm zur Seite steht ein gleichwertiger, hoch
sensibler und hellhöriger Duopartner, der junge Bassist Stephan Crump
(er arbeitet u.a. mit Vijay Iyer zusammen). Gemeinsam werden, in den
beiden langen Titeln, Spuren gelegt; Spuren und Ideen, die man dann
später wieder ‚findet‘, die man aufnimmt, verändert, verwirft oder
einfach fortspinnt, um damit doch noch einem Ziel näher zu kommen. Das
Ziel kann nur sein, ein Miteinander zu erfinden, das mehr ist als die
Summe seiner Teile. Die Magie des interessanten Duospiels liegt ja
darin, die beiden Einsamkeiten der Protagonisten zu einer kurzfristigen
Liaison der möglichen Gemeinsamkeiten zu überlisten, und das wird von
Lehman & Crumb in geradezu vorbildlicher Art und Weise zelebriert.
Als wäre es ein sorgfältig komponiertes, kompliziertes Stück
Kammermusik, so logisch und nuancenreich entwickeln sich die
Interaktionsmodule der beiden Improvisatoren. Wunderbar. Beeindruckend.
Nachhörenswert. |
Kurt Gottschalk, The New York Jazz Critik, USA, April 2011
Martin Guerpin, Jazzmagazine, France, Avril 2011
Wolf Kampmann, Jazzthing, April/Mai 2011
Martin Woltersdorf, Kölner Stadt-Anzeiger, Deutschland, 8. April 2011
bak, Concerto, Österreich, April/Mai 2011
Diese
beiden Vertreter der jüngeren New Yorker Jazzszene sind in renommierten
und unterschiedlichen Ensembles und Kontexten aktiv, Bassist Crump z.B.
mit Vijav Iyer's Trio, Saxofonist Lehmann in Improv-Kompo-Projekten und
solo in elektroakustischer Improvisation und Neuer Musik. Beide neigen
zu klaren Strukturen, selbst im Bereich der freien Improvisation. Diese
beiden langen Stücken sind zwar frei improvisiert, aber in einem sehr
aufmerksamen sensibel-durchdachten Prozess sozusagen vorsortiert und
schließlich in frei verfügbaren Strukturmodulen ausgewählt worden. Wem
lange Stücke sonst zu lang sind, wird hier überrascht sein, wie
kurzweilig hochkonzentrierte freie Musik sein kann, die sich noch
selbst genug Impuls für Ausbrüche lässt. Change of program, change of
style, change of world. |
Svein Magnus Furu, Jazznytt, Norway, Nr. 2 / 2011
Jürg Solothurnmann, Jazz n' More, Schweiz, Mai/Juni 2011
DISCHI JAZZ KALEIDOSCOPE & COLLAGE
Sessa Claudio, Corriere della Sera, 1 maggio 2011 |
Il
est souvent arrivé – presque toujours, pour être exact – qu’on regrette
le peu d’idées au service duquel Steve Lehman mettait sur disque un son
d’alto pourtant singulier. En duo avec Stephan Crump (contrebassiste
entendu sans vraiment se faire remarquer auprès de Vijay Iyer), les
choses changent. |
Christoph Wagner, Schwarzwälder Bote, Deutschland, 14. Februar 2011
Marcus O'Dair, Jazzwise, Great Britain, June 2011
Ulfert Goeman, Jazzpodium, Deutschland, Juni 2011
Unlike the CDs above, "KALEIDOSCOPHE & COLLAGE" does away with traditional Jazz forms entirely, emphasizing instead completely improvised material. This it does with somewhat mixed results. Again, the musicianship of the participants is not in question: both Crump and Lehman are in full technical command of their instruments and Lehman in particular displays an impressive knowledge of the textural resources of the alto as well as an admirably sophisticated sense of improvised line. Unlike much Free Jazz in this type of format, there is a greater utilization of both pulse and tonality as well as a quasi-compositional approach that gives the music more cohesiveness than is generally found in the genre. Still, the wide-open improvisational space also yields passages that are not so cohesive and the music occasionally rambles as the duo searches for the next idea. Of course this is always the big challenge with totally improvised music and there is nary a recording in this style that doesn't suffer from this weakness in some fashion. All in all though, this held my attention longer than many similar efforts by other duos and the artists are to be commended for making cohesiveness a stated goal. Not a perfect recording by any means but recommended nonetheless for devotees of completely improvised Jazz. |