KOCH-SCHüTZ-STUDER
& CHRISTIAN UETZ. LIVE IM SCHIFFBAU. INTAKT CD 074
Live im Schiffbau
27. Oktober 2000 im Schiffbau Zürich: Links und rechts auf der Bühne
standen zwei kleine Holztische mit elektronischem Gerät, dahinter musizierten
Hans Koch (Saxofone) und Martin Schütz (Cello). In der Mitte agierte
Fredy Studer am Schlagzeug. Und da war auch der Wort-Performer Christian
Uetz. Er wanderte hin und her. Sass auf dem Stuhl. Stand wie ein Frontsänger
vor der Band. Und liess sein unwahrscheinliches Mundwerk abgehen. «Ich
schpinn glücklich!»
Was Christian Uetz mit dem Wort macht, machen Koch-Schütz-Studer mit
der Musik: Sie setzen Töne in den Raum, erzeugen Bedeutung, demontieren
und oszillieren, setzen neu zusammen, transformieren.
Ihr Auftritt am besagten 27. Oktober in Zürich ist gleichermassen ein
literarisches Hörabenteuer und ein musikalisches Literaturereignis,
das die Grenzen zwischen Wort und Klang, Sinn und Nichtsinn fortwährend
überschreitet, unterwandert, hinter sich lässt. Uetz wahnwitzt in dadaistisch-philosophischen
Exkursen, erschafft neue Wörter, bricht neuen Sinn. Koch-Schütz-Studer
reagieren auf die gesprochenen Texte sowohl zustimmend als auch ablehnend,
ergänzend als auch verwandelnd.
Das Konzert liegt jetzt auf CD vor, erschienen auf dem Zürcher Label
Intakt. «Live im Schiffbau» ist eine einstündige Improvisation auf höchstem
Niveau. Sie ist so respektlos wie einfühlsam. Das Verhältnis von Wort
und Musik, Bedeutung und Klang, gerät fortwährend aus den Fugen. Lärm
und Stille werden durchlässig. Existenzielles bricht auf. Die Zuhörenden
sind gefordert. Koch-Schütz-Studer & Christian Uetz führen nicht daran
vorbei.
© Neue Luzerner Zeitung/Zuger Zeitung. Urs Mattenberger,2002-03-16.
Umkehr mit
Jazz und einem Performer-Poeten
Das Improvisationstrio Koch-Schütz-Studer trifft auf den Poeten Uetz
Für die Apologeten des «anything goes» ist die Avantgarde ein Anachronismus.
Ab in die Mottenkiste, lautet ihr Verdikt, denn Avantgarde mache keinen
Spass. Dass unser kulturelles Leben ohne die Impulse der Tüftler, Ikonoklasten
und Visionäre ärmer aussähe, wollen sie nicht wahrhaben. Zum Glück gibt
es Refugien, in denen das avantgardistische Denken nach wie vor gehätschelt
wird. In einem dieser Schlupflöcher für subversive Elemente hocken die
Musiker Hans Koch (Klarinetten, Saxofone, Elektronik), Martin Schütz
(akustisches und elektrisches Cello, Elektronik) und Fredy Studer (Schlagzeug,
Perkussion) und hecken die nächste Attacke wider die Belanglosigkeit
der Mix-und-Matsch-Kultur aus. Im Laufe seines Bestehens hat das Trio
Koch-Schütz-Studer einen Innovationsgeist an den Tag gelegt, der Ehrfurcht
einflösst.
Sound-Futuristen
Wir haben es hier mit einem Triumvirat unerschrockener Sound-Futuristen
zu tun, denen es immer wieder gelingt, die Musik neu zu erfinden. Logischerweise
gibt es auch bei Koch-Schütz-Studer stilistische Referenzen, etwa an
die Maschinenmusik des Futurismus, die Tonbandexperimente der «Musique
concrète», den Free Jazz oder die zeitgenössische Experimentalelektronik;
doch treten diese nicht als Zitate auf, sondern werden subjektiv eingefärbt,
umgeformt und verfremdet. Vor sieben Jahren erschien das fabelhafte
Debüt «Hardcore Chambermusic», das sogar John Zorn zu erregen vermochte.
Der paradoxe CD-Titel verweist einerseits auf das extreme dynamische
Spektrum der Musik, das vom fragilen Gezirpe bis zum ohrenbetäubenden
Gewitter reicht, andererseits auf eine Musizierhaltung, die höchsten
Wert auf interaktive Sensibilität legt.
Dass Koch, Schütz und
Studer keine Stubenhocker sind, bewiesen sie mit ihren nächsten Abenteuern.
«Heavy Cairo Traffic» entstand aus der Begegnung mit Vertretern des
ägyptischen El Nil Troop, «Fidel» ist das Resultat von schlaflosen Nächten
in Havanna: Diese Alben warfen alle Vorstellungen von Weltmusik über
den Haufen und riefen nicht zuletzt deswegen Widerspruch hervor. Die
mit den New Yorker Illbient-DJs M. Singe und I-Sound realisierte CD
«Roots And Wires» markiert schliesslich eine Neuorientierung im Schaffen
der tapferen Helvetier. Studer erläutert: «Bei einem Konzert mit den
DJs in St. Gallen war der erste Teil schlecht. Wir haben dann in der
Pause die Noten in der Garderobe gelassen und nur abgemacht, wer anfängt
- der Rest war offen. Das Resultat war fantastisch.» Und so kommt es,
dass man sich inzwischen von jeglichem Ballast befreit hat, um sich
voll und ganz der freien Improvisation zu widmen. Das jüngste Projekt
unserer Protagonisten wirft die alte Frage nach der Kompatibilität von
Wort und Musik in die Runde. Die Zusammenarbeit mit dem Sprach- und
Sprech-Poeten Christian Uetz hatte im Oktober 2000 in den Kulissen von
Marthalers «Hotel Angst» Premiere. Ein Mitschnitt des Abends liegt nun
als CD vor: «Live im Schiffbau» ist ein faszinierendes Tondokument,
das gleichermassen Irritation und Begeisterung hervorruft.
Sprach-Psychedelik
In Uetz haben Koch-Schütz-Studer einen «agent provocateur» gefunden.
Er ist kein cleverer Zeitgeist-Verseschmied, sondern ein Sprach-Maniak,
der die Worte häutet und enthauptet. Der Sprachpsychedeliker balanciert
auf dem schmalen Grat zwischen konkreten Inhalten und hirnrissiger Lautmalerei
und manchmal stürzt er in die Tiefe und tut sich weh und jammert und
schreit. Als Nächstes wird der radikale Joint-Venture in ein sakrales
Ambiente einziehen: Im Rahmen der Luzerner Osterfestspiele steht heute
um 21.30 Uhr eine Aufführung in der Jesuitenkirche auf dem Programm.
Initiator Beny von Moos sieht Parallelen zum szenischen Oratorium des
Barocks und mittelalterlichen Mysterienspielen: «Das Ziel - damals wie
heute - ist die Ergriffenheit und moralische Erschütterung als Auslöser
einer inneren Umkehr.» Die Alben von Koch-Schütz-Studer sind auf dem
Label Intakt bzw. Intuition erschienen. Dieser Tage erscheint bei Suhrkamp
«Don San Juan» von Christian Uetz. Konzert in der Jesuitenkirche am
20. März um 21.30 Uhr. Am 24. Mai werden Koch-Schütz-Studer und Uetz
das Jazzfestival Schaffhausen mit ihrer Präsenz beehren.
Tom Gsteiger © 2002 National Zeitung und Basler Nachrichten AG,
Basler Zeitung, 20.03.2002
Luckys Enkel
Als das «Modern
Jazz Quartet», allemal besser als sein Ruf, in Europas Konzertsälen
begann, schwarzbefrackt barocke Tanzsuiten hinzutupfen und Gunther Schuller
mit seinem «Third Stream» mit Macht ans Licht der Wertschätzung
durch die höheren Stände drängte; als wir über den SWF mehrmals wöchentlich
den Predigten des Pfarrerssohns Joachim-Ernst Berendt lauschten, der
wie keiner den Jazz zum Bildungsgut erhob und also auch subventionsfähig
machte - in jenen fernen Zeiten des Nierentischs blühte eine Mode auf,
durch eben den rührigen Berendt befördert, die sich «Jazz und
Lyrik» nannte. Es waren Veranstaltungen zur Eroberung der höheren
Töchter als Marktsegment, Gerd Westphal rezitierte Benn/Heine/Wasweissich
zu Roland Kirk etc., und der fuminante Peter Rühmkorf immerhin eigene
Texte zu Schlüter und Naura: «Phönix voran!».
Mit solchen mal bemühenden,
mal rührenden Versuchen, improvisierte Musik und Wortkunst zu einem
höheren Dritten zu vereinen, hat «Live im Schiffbau», die
jüngste Produktion des Trios Koch-Schütz-Studer, nichts zu schaffen,
obwohl ja im Titel noch eine Spur «Jazz at the Philharmonic»
nachhallt (so hiess Norman GranzÕ erster Nobilitierungsversuch). Hans
Koch, Martin Schütz und Fredy Studer haben sich ja mit wechselndem Glück
schon in unterschiedlichsten Zusammenhängen versucht, mit Musikern aus
Havannna und mit welchen aus Aegypten, aber auch mit «Turntablisten»
(die heissen wirklich so) wie DJ I-Sound und DJ M.Singe interdiszipliniert.
Sie haben immer weiter entwickelt, was sie mit einem schönen Titel «Hardcore
Chambermusic» nannten, und jetzt also setzen sie sich den Wortgewittern
des in Berlin lebenden Ostschweizer Poeten Christian Uetz aus, oder
sie inszenieren diesen, und da leuchtet nicht westfahl des Gedankens
Blässe, da ist, bei Gott, der neunschwänzige Teufel los. Uetz, 1963
in Egnach geboren, sozuagen dem landÕs end der thurgauischen Provinz,
einer endgültigen Endstation Sehnsucht - Uetz haut mit seinen Spachkorrosionen
jeder Vorstellung von Provinzialismus ins Gesicht. Wie Koch-Schütz-Studer
nature und mit Samplers und Sequencers und aller sonstigen denkbaren
Elektronik über die schmerzhafte Grenze zwischen Klang und Geräusch
hin und her springen, so veräzt Uetz den Sinn der Worte, verdreht sie
zum Un-Sinn und weiter zum Über- und Untersinn. Er ist (der Gegensatz
ist an sich ist saukomisch) in seinem unvergleichlich oberthurgauisch
gefärbten oder gespitzten Hochdeutsch ein Meister der Suada, der hochgespannten
Rede wider die voreilige Übereinstimmung von Sinn und Wort, ein Enkel
von Becketts Lucky und Urenkel von Schwitters Anna Blume. Die Folien,
über denen er seine Rede schwingt, sind blblisch und celanisch, und
gelegentlich steigt ein schwarzversengter Hölderlin aus den Trümmern.
Aus Wort wird Wut wird Schrei und unter Aufgebot aller elektronischen
Verzerrer von KSS Geheul, und plötzlich ensteht, das sind die intensivsten
Momente, im Überdrehten eine grosse Leere und tobende Stille. Gelegentlich
geistreichelt es etwas sehr in UetzÕ Attacken wider den Geist, die eine
oder andere Wortverdrehung könnte Kalauer heissen. Aber allein die Paraphrase
des Vaterunsers (keine Parodie) ist den Kauf der CD wert. Selten griffen
verbaler und musikalischer Dekonstuktivismus (um in der Not zum Modewort
zu flüchten) so spannend und keineswegs pleonastisch illustrierend ineinander
wie zwischen Uetz und KSS. Nie flog uns die Erkenntnis des grossen alten
Fritz Mauthner in ihrer Negativität so lustvoll um die Ohren. Der begann,
nicht anders als Uetz seine Suada, die «Beiträge zu einer Kritik
der Sprache» 1901 mit dem Zitat aller Zitate: «Im Anfang
war das Wort», und formuliert dann gelassen, was Uetz ein Jahrhundert
später im lust- und frustvollen Mundakt vorführt: «Mit dem Worte
stehen die Menschen am Anfang der Welterkenntnis und sie bleiben stehen,
wenn sie beim Worte bleiben. Wer weiter schreiten will (...), muss sich
vom Wort befreien und vom Wortaberglauben, der muss seine Welt von der
Tyrannei der Sprache zu erlösen versuchen».
Peter Rüedi, Die Weltwoche, Zürich, 25.4.2002
Den Kopf
fordernd aber auch einfach nur Freude bereitend
Gestatten, ich möchte kurz rekapitulieren: «Hardcore Chambermusic»,
der Klassiker sozusagen, markierte 1995 den Ausgangspunkt - und ist
bis heute das einzige reine Trio-Album der Schweizer Improvisatoren
und Klangforscher. Es folgten Aufnahmen mit dem ägyptischen Ensemble
«Nil Troop» und «Fidel», ein Cuba-Ausflug. Alles
Variationen über den grassierenden Weltmusik-Wahnsinn, die ebenso
grossartig wie verstörend waren und sind. «Roots and Wires»
mit den DJs M. Singe und I-Sound als Abstecher nach New York und in
den experimentellen Turntablismus war der nächste, logische Schritt.
Mit «Live im Schiffbau», gemeinsam mit dem Schweizer Schriftsteller
Uetz, wagen sich Koch-Schütz-Studer nun ins Reich des gesprochenen
Wortes.
So wie sie es immer geschafft haben, ihren sehr eigenen Improvisationsstil
beizubehalten und doch auf jeden der völlig verschiedenen Partner
einzugehen, gelingt dies auch hier wieder bestens. Musikalisch ist die
CD Wahnsinn wie gehabt. «Hardcore Chambermusik» ist immer
noch Programm, von sensiblen Improvisationen bis hin zu Metal Riffs
ist vieles zu hören, der Einsatz elektronischer Gerätschaften
macht den Sound immer dicht und für ein «Jazz»-Trio
aussergewöhnlich. Aber Jazz wollen die drei sicher nicht hören,
denn fortschreitender Erstarrung setzen sie Spontaneität entgegen,
statt postmoderne Pradigmen krampfhaft zu erfüllen, wird hier mit
so einer Lust dekonstruiert und wieder neu zusammengesetzt, über
Sinn und Unsinn musiziert, dass es gehörig Respekt verlangt. Dazwischen,
drüber, darunter die Texte von Christian Uetz. Worte, die sich
um Worte drehen, Wortklang- und Sinn verschränken sich ineinander,
die Texte werden in rasender Geschwindigkeit vorgetragen, wiederholt,
verfremdet, auf den Kopf gestellt. Worte, wie gemacht für diese
Musik, den Kopf fordernd aber auch einfach nur Freude bereitend, je
nach Rezeption.
Stefan Parnreiter, Skug, Wien51/02
Hörarbenteuer
für Unerschrockene
Jazz & Poetry war ja in der Vergangenheit immer mal wieder ein kleiner
Hit. Michael Naura machte mit Peter Rühmkorf und Günter Grass
mit Baby Sommer. Jetzt haben sich die experimentellen Schweizer Musiker
mit dem Schriftsteller Chrstian Uetz vereint und gaben im Zürcher
Schauspielhaus ein szenisches Konzert. Uetzt macht sich Gedanken über
das Wort und wie es sich zur Wirklichkeit verhält, dazu breitet
das Trio sphärische, meist frei sprudelnde Soundscapes aus. Verschmelzung
von Wortklang und Wortsinn, neue Wortschöpfungen sind das Anliegen
von Uetz, doch kaum hat man sich an den Schwall seiner Gedanken gewöhnt
und vermag einen Sinn zu erkennen, da druchtrennt er den Faden und beweg
sich in andere Richtungen. Das scheinbare Text-Chaos wird durch Klänge
verstärkt, die erst zart fliessen, um dann lärmend zu explodieren.
Ein Hörabenteuer für Unerschrockene.
mai, Jazzthing, Deutschland, Juli/August 2002
Bis du Hölderlin? Bist du
Nietzsche? Nein, Uetz [Uëtz gesprochen] ist eine Nervensäge von eigenen
Gnaden, aus der Schweiz gesandt, um das Wort zu verhunzen, um Hinz &
Kunz zu verworten, das Wort zu ermorden, das Hirn zu verwanzen mit Worten
zum Kotzen. Mehr Uetzerei gibt's bei Suhrkamp als "Don San Juan". Mir
reichen seine Schiffbau-Tiraden. Dass Koch, Schütz & Studer gerne etwas
riskieren mit gewagten Liaisonen, das ist bekannt, ob nun mit Músicos
Cubanos oder mit DJs. Aber das hier ging doch in die Hose. Dabei sind
sie in Bestform, insofern wäre das nicht Jazz & Poetry, sondern Hardcore
& Poetry, wenn's halt nur Poetry wäre und kein prätentiöses Geschwurbel.
Grinsen muss ich dabei allerdings doch, wenn ich mir die Leutchen vorstelle,
die wegen dem Dichter da waren und jetzt in den Kulissen von "Hotel
Angst" bibberten. Musikalisch nähert sich das Trio allerdings so auffällig
dem Etage 34-Sound für das 'Le Complexe De La Viande'-Projekt des gewaltigen
Performers Serge Pey (->BA38 S.37), dass ich an einer Koinzidenz zweifle.
Ich tippe auf einen Aha-Effekt. Und Uetz war nur der einzige, der sich
getraut hat. Was weiss ich, wahrscheinlich finde ich nur den deutschen
Zungenschlag so peinlich.
Bad Alchemy 40, Würzburg, Deutschland 40/2002
KOCH-SCHüTZ-STUDER
plus DJ I-Sound and DJ Singe. ROOTS AND WIRES. INTAKT CD 060
This
album's been in my life for some time now, I've repeatedly returned
to it, and despite the immediate impression it makes, it's only over
the course of a few months that I've come to realise it's one of the
best records of the year. This probably reflects more on me than the
music(!), but none-the-less, what a release. The trio of Hans Koch (bass
clarinet, soprano and tenor saxophones, electronics, sequencer), Martin
Schütz (electric 5string cello, acoustic cello, more electronics sequencer),
and Fredy Studer (drums, percussion), are joined by two turntablists,
DJ M Singe and DJ I-Sound, to generate another edition of "hardcore
chambermusic". The first piece, "The background is the foreground then
delirium", is a phenomenal 10-minute introduction. An insistent groove
is slowly augmented by the other players, following the relentless gritty
patterns, until it finally collapses, twitching, in a glorious barrage
of free noise. It's both complex and funky, dealing in harsh abstraction
and improv as well as generating rhythmic hooks and warm acoustic textures,
and in this sense it's akin to Radian's supreme "TG-11", Pluramon, or
Orchester 33/3. With Bernd Friedmann now working with Jaki Leibezeit
too, it's clear that the integration of electronics, turntables, and
improvised live-playing have found their finest exponents in German
speaking countries. And I guess Can inevitably spring to mind as a possible
precursor. But, where previous outings by Koch-Schutz-Studer have engaged
with music from Egypt and Cuba, here it seems they've musically washed
up on Manhattan's shoreline, working with two "illbient" musicians whose
turntables complement their sound perfectly. There are very few turntablists
who have really engaged with the idea of being an "equal musician" in
such a context, and even fewer who were able to. But M. Singe and I-Sound
really do succeed here, with a sense of constucting the music's architecture
over time and inter-reacting with the other musicians, working with
abstraction as much as discernible "samples". It's often difficult to
pick apart the scratching from the saxophones, and indeed, why should
you? Just enjoy the furious collages generated on tracks like "Thai
Speed Parade" and "Loop Eleven". On this track, Koch plays with Zorn-like
intensity, before a post-rock-like bass line and drum pattern drop,
skittering saxophone interwoven with scratching hot on their heels.
Throughout the whole album, it's an utterly seductive mix of sparse,
spacy jams and deep, demanding, abstraction. But, as it says in the
smart sleeve notes, "these are only words, they do not sound". You need
to hear this record to judge for yourself. And give it time.
MOTION, GB. http://motion.state51.co.uk
HANS KOCH
ROOTS AND WIRES/ October 1994/ Intakt 060/2000/ STYLE: JAZZ (FUSION,
AVANT-GARDE)
Hans Koch is not the first of the avant-garde jazz musicians to add
turntables to the mix, but he certainly is one of the best to do so.
For this intriguing set, he brings two - DJ M. Singe and DJ I. Sound
- plus percussionist Fredy Studer and electric cellist Martin Schütz.
The results astound, with each of the eight pieces displaying different
aspects of the group's sound. Ranging from minimalist fare to wild,
ferocious crashing cacophony, the quintet blasts forth noise and crazed
sounds that should not have any trouble making it to the floors of the
disco. Koch is stupendous, whether on his usual bass clarinet or on
soprano and tenor saxophones and electronics. But, it is the DJs who
stamp their names on this one, with wild, twisted distorted bubblegum
notes that pull and punch with abandon. It is all fun, and most importantly,
it somehow works, avoiding the snares of pastiche, and instead producing
an invigorating, innovative series of pieces that should satisfy the
most demanding of tastes. (4 stars)
Steven Loewy All-Music Guide to Jazz, U.S.A., August 2000 http://www.allmusic.com/
Like Latin sounds, rock music, flutes and the electric guitar -- to
pick four earlier "oddities" at random -- jazz music has adapted to
a clutch of unexpected sounds over the years. Now the musicians featured
here, plus others, have figured out how to make use of electronics and
turntables. The way to do it, of course, is to take what's produced
by the needle and cartridge as another part of the mix. Perceptive musicians
don't let these sounds or electronic shimmers supersede their improvisations
any more than earlier jazzmen gave in to the sweet prettiness of many
Tin Pan Alley melodies. It's not surprising that the successful adaption
of these new sounds come from European musicians -- Swiss in this case.
For with the different strands of "foreign" musics coursing through
that continent for centuries, these Eurojazzers seem best to be able
to accept turntable art as merely something else to literally play with.
It's also no shock that it's Koch, Schütz and Studer who work so well
in this context. Together since 1990, the three already balance sequenced
sounds and live-electronics with their own acoustic instruments, creating
what they call Hardcore Chamber Music. Collaborations with traditional
musicians from Egypt and Cuba have also been part of their agenda. This
partnership on the other hand works only sporadically. On Roots and
Wires noteworthy fusion occurs on "Loop Eleven," where the sounds of
a tenor saxophone matches the "scratches" from the turntable, creating
a duet which dissolves into bluesy cello playing until what appears
to be a banjo escapes from the intense electronic murk. "First Class
Scenario" -- perhaps a comment on the proceedings -- is more of the
same, with what sound like sine waves mixing with the clear sound of
a clarinet that first complements than supersedes the electronics. Moreover
despite the co-billing, "found sound" of recorded voices and music appears
only intermittently, with the only remarkable use occurring on "Dread
bread." There a sampled voice first morphs into what appears to be bird
songs than becomes sequenced electronics. The problem is that that track,
as well as "Notausstieg II," is that they feature Schütz and Studer
creating some of the most ponderous anvil-pounding riffs this side of
a Bad Company record. That overweight is the main drawback for those
who give heavy rock a wide berth. While reedist Koch uses a multitude
of horn sounds to accommodate a non-jazz conception, the drummer and
electric cellist appear to think that if it ain't got that swing it's
gotta rock and make like Geddy Lee and Neil Peart of Rush too much of
the time. Not all is lost though. In small doses this session impresses.
In fairness perhaps, the three Europeans haven't yet figured out the
best way to react to the DJs, who, they may see as indigenous music
makers like the Egyptians and the Cubans. Here's an idea. Next time
out why not blend Swiss precision and DJ soul with some Arabic and Latin
sounds? Throwing everything together may soften the rhythms and produce
a really historic date.
Ken Waxman,Jazz Weekly, August 2, 2000 http.//www.jazzweekly.com
Zwischen Wurzeln und Drähten
die Gegenwart
«Roots And Wires»
- das neue Album von Koch-Schütz-Studer
Sie können das
zehnjährige Bestehen ihres Trios feiern, die drei Schweizer Musiker
um die fünfzig: Hans Koch, Martin Schütz und Fredy Studer, die mit kontrastreichen
Projekten immer wieder für frischen Wind in der improvisierten Musik
sorgten. Für ihre neue CD, «Roots and Wires», haben sie sich mit zwei
DJ zusammengetan, um die Spannung zwischen Turntables, Elektronik und
akustischen Instrumenten auszuschöpfen.
Ihre unterschiedlichen Wurzeln reichen zurück in eine Welt, die noch
einigermassen ordentlich klang: Verlässliche Rhythmen sorgten für einen
regelmässigen Atem. Harmonien schlossen sich wie weiches Textil um Lust
und Frust. Melodien führten geschmeidig die Stimmen unterschiedlicher
Traditionen. Es gab Klassik, Jazz und Rock - Keller, Klubs und Konzertsäle.
Während die Bieler Hans Koch und Martin Schütz zunächst klassische Musik
studierten, schwärmte der Luzerner Fredy Studer für die Rolling Stones.
Als dann die beschleunigte Geschichte in die musikalischen Provinzen
dröhnte, Kulturen aufeinanderprallten, Mauern einstürzten und Eiserne
Vorhänge fielen, da wurde es den drei Musikern zu gemütlich in ihren
Gärtchen. Sie streckten ihre Fühler über unterschiedliche Zäune und
trafen sich in einer pulsierenden musikalischen Mischzone, in der sich
die Improvisation gerade vom Jazz befreite, um sich von experimentellem
Rock und Neuer Klassik inspirieren zu lassen.
Schliesslich fanden der Klarinettist und Saxophonist Hans Koch, der
Cellist Martin Schütz und der Schlagzeuger Fredy Studer vor zehn Jahren
zum Trio zusammen. Seither versuchen sie die Sprache der Improvisation
stets neu zu definieren. Wie machen sie das? Sie scheuen den Schönklang
nicht, und erst recht nicht den Lärm. Sie suchen Kontraste und pflegen
die Kunst der Schattierung. Sie bleiben am Puls der Zeit, indem sie
sich keinerlei musikalischen Dogmen unterwerfen. 1995 erschien das erste
Album «Hardcore Chambermusic». In kurzen Intervallen alternierten hier
zarte, fragile Improvisationen mit brachial gestanztem Trash; daneben
generierten die drei Musiker zerfliessende Zwischentöne und statische
Klanggebilde, die heute an Ambient erinnern. Später folgten zwei interkulturelle
Projekte: Die CD «Heavy Cairo Traffic» von 1997 dokumentiert einen spannenden
und frischen Dialog mit den ägyptischen Musikern der El Nil Troop. Leider
waren Zeit und Budget zu knapp bemessen, die Studioarbeit zu kurz. Gerade
als die unterschiedlichen musikalischen Idiome sich gegenseitig zu durchdringen
begannen, musste man sich wieder verabschieden.
Letztes Jahr erschien dann das Album «Fidel»: Musikalisch vermag der
Brückenschlag nach Kuba zwar nicht zu überzeugen. Koch-Schütz-Studer
hatten sich auf der Zuckerinsel mit verschiedenen kubanischen Musikern
zu Sessions getroffen und dabei Klänge und Rhythmen gesammelt. Diese
wurden zu Hause in elektronischer Nachbereitung zwar vielfältig verarbeitet
und verwurstelt, oft aber scheint sich die kubanische musikalische Wucht
von den elaborierten Konzepten zu scheiden wie Wasser von Öl. Immerhin,
einmal mehr bewiesen die drei Schweizer ihren Mut zu musikalischen Grenzgängen,
einmal mehr profilierten sie sich zumindest konzeptionell als Wegbereiter
improvisierter Musik.
Vor zehn Jahren wollten Hans Koch und Martin Schütz, die sich damals
bereits im Trio mit Marco Käppeli einen Namen gemacht hatten, neben
Fredy Studer gleich noch einen vierten Instrumentalisten anheuern. Im
Quartett glaubten sie das klangliche Spektrum erweitern zu können, von
einem Posaunisten war die Rede. Fredy Studer aber hatte in Formationen
des Zürcher Gitarristen Stephan Wittwer zuvor Erfahrungen mit elektronischem
Klangmaterial gesammelt, die Elektronik war es seiner Meinung nach,
die den Weg in die musikalische Zukunft wies. Koch und Schütz liessen
sich davon überzeugen, und während Studer weiterhin ein akustisches
Drum-Set bediente, begannen sie mit Samples und Sequencer zu experimentieren
- letzterer wurde quasi als vierter Partner in die Band integriert.
Zu einer Zeit, als die Elektronik unter improvisierenden Musikern noch
ziemlich verpönt war, lernten die drei Schweizer, auf dem Sequencer
zu tanzen.
«Roots And Wires» - Wurzeln und Drähte - heisst das vierte und neuste
Album programmatisch. Die Roots nämlich stünden für die unterschiedliche
musikalische Herkunft der drei Musiker, erklärte Fredy Studer jüngst
in einem Gespräch, und überdies für das traditionelle, akustische Instrumentarium,
auf das man auch in Zukunft nicht verzichten wolle. Die Wires dagegen
bezeichnen den Reichtum elektronischer Effekte, welche auf der neusten
CD dominanter sind als je zuvor. Für das aktuelle Projekt haben sich
Koch- Schütz- Studer mit der She-DJ M. Singe und dem DJ I-Sound zusammengetan
- beide stammen aus der New Yorker Turntable-Avantgarde - und sich auf
diese Weise an die Gegenwart der Club-Musik angeschlossen. Die Töne,
Stimmen und Geräusche dringen reich und üppig durch dichte Texturen,
dann wiederum reduziert sich der Sound auf ein schwebendes Rauschen.
Einmal mehr zeugen farbliche Abstufungen von musikalischer Reife, wieder
sorgen Kontraste für Spannung: Roots and Wires, Tradition und Zukunft
- so erschliesst man die Gegenwart.
Ueli Bernays, Neue Zürcher Zeitung, 24. Februar 2000
Im Zentrallabor neuer
Klänge
Seit zehn Jahren
experimentiert das Trio Koch-Schütz-Studer mit eigenen und fremden Klängen.
Zum Jubiläum gibts eine neue CD, und heute tritt das erweiterte Trio
auch in Zürich auf.
Sie machen es einem nicht leicht. Vom Jazz ist das Trio Koch-Schütz-Studer
ebenso weit entfernt wie von der Noise Music oder vom weiten Feld jener
Stile und Richtungen, die sich am ehesten noch unter den Oberbegriffen
von Techno oder Ambient subsummieren lassen. "Take it or leave it" ist
das Motto, unter dem sie seit zehn Jahren ihre Zuhörerinnen und Zuhörer
begeistern und verstören. Kompromisse, Zugeständnisse an überkommene
Hörerwartungen gibt es in dieser eigenwilligen Musik kaum, und wer sie
mit den gängigen Kriterien des Jazz oder der europäischen Musiktradition
abtastet, der kommt nicht weit mit dem Zuhören, auch wenn die Blasen,
die in dieser zuweilen heftig brodelnden Ursuppe hochblubbern und an
der Oberfläche zerplatzen, allerhand bekannte Musikpartikel verschiedenster
Herkunft freisetzen.
Seit den 80er-Jahren experimentieren die beiden Bieler Hans Koch und
Martin Schütz, Bassklarinettist und Saxofonist der eine, Cellist der
andere, mit neuen musikalischen Strukturen und Spielpraktiken zwischen
frei improvisierter Musik, Minimal Music, zwischen Collagetechnik und
der Freak-Ästhetik der New Yorker Downtown-Szene.
Zusammenklang und -prall
Mit dem Luzerner Schlagzeuger Fredy Studer erweiterte sich das Klangarsenal
des neuen Trios Koch-Schütz-Studer vor zehn Jahren konsequent in Richtung
Elektronik. Inzwischen haben die drei Musiker eine eigenwillige Art
von Geräuschharmonik entwickelt. Wie die konventionelle Musik mit Akkorden
arbeitet, dem Zusammenklang konsonanter und dissonanter Töne, so arbeiten
sie mit dem Zusammenklang (oder Zusammenprall) unterschiedlichster Geräusche,
wobei durchaus auch Schnipsel konventioneller Musik erlaubt sind, kurze
Fragmente von Saxofonlinien, knurrende Tieftöne und schrille Schreie
der Bassklarinette, gezupfte Linien und Patterns oder gestrichene Celloklänge,
swingende oder funkige Rhythmen des Schlagzeugs. Allerdings, auch diese
akustischen Klänge sind manchmal bloss Spielmaterial, das ad hoc elektronisch
verfremdet, zerlegt und wieder in den musikalischen Prozess eingespeist
wird. Wobei auch der Zufall seine Rolle zu spielen hat. Ausgehend von
gemeinsam sorgfältig ausgetüftelten Klangvorstellungen, von genau fixierten
Konzepten bis zum Instant-Composing mit Handzeichen, verflüssigen Koch-Schütz-Studer
diese Strukturen immer wieder in den frei improvisierten Passagen zu
neuen Geräuschzusammenballungen. Was entsteht, sind weniger in sich
abgeschlossene "Stücke" als schillernd und oszillierend sich verändernde
Klangskulpturen.
Das Trio Koch-Schütz-Studer ist dabei so etwas wie ein Zentrallabor
neuer Klänge geworden; was da und dort, in anderen Labors der zeitgenössischen
E-Musik, des Ambient, Techno und Drum 'n' Bass, des Freejazz und der
Geräuschmusik, aber auch in der Folklore von Kuba oder Ägypten bereits
ausprobiert und entwickelt worden ist, was sie an Höreindrücken und
eigenen Spielerfahrungen gesammelt haben, was in ihren Köpfen durcheinanderwirbelt,
sich aneinander reibt, sie fasziniert, schubst und bewegt, das schütten
und mischen sie zusammen, verquirlen es und beobachten, nicht selten
selber überrascht, was dabei für musikchemische Reaktionen entstehen.
Von Bartók bis Public Enemy
Für ihre Experimente verwenden Koch, Schütz und Studer auch vorprogrammierte
Samples, zuweilen bis zur Unkenntlichkeit verfremdete oder verhackte
Musiksequenzen, von James Brown bis Béla Bartók, von Jimi Hendrix bis
György Ligeti, von Iannis Xenakis bis Morbid Angel und Public Enemy.
Dabei geht es weniger um die Musik von Bartók oder Brown als um einen
bestimmten isolierten Sound, eine bestimmte Atmosphäre, einen kurzen
Input oder eine aus einem Fragment herausdestillierte Textur.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich dabei weniger die "Forschungsstrategie"
geändert als vielmehr das Repertoire: Zunehmend hat das Trio Elemente
des experimentellen Techno, des Ambient integriert, Noise- und Voice-Klänge,
Scratchgeräusche und Klangschlieren der Turntable- und DJ-Musik. Nur
konsequent, dass Koch-Schütz-Studer vor zwei Jahren ihr Trio für einen
Auftritt am Jazzfestival Willisau und für eine neue CD, "Roots and Wires",
um zwei New Yorker DJs, Beth Coleman (alias DJ M. Singe) und Craig Willingham
(alias DJ I-Sound), ergänzt haben. Die beiden Plattenspieler sind aber
mehr als beliebige Geräusch- und Soundlieferanten. Koch-Schütz-Studer
setzen sie als gleichwertige Mitimprovisatoren ein, zum Teil auch als
eigenständigen Gegenpart zu ihrem Trio. So entstehen zuweilen stimmungsvolle,
zuweilen auch bizarre, surrealistische Klanglandschaften. Intelligent
und sorgfältig durchdachte Musik im noch kaum kartografierten Neuland
experimenteller Klänge und Geräusche. Leicht machen sie es einem dabei
nicht. Wer nach Herkömmlichem sucht, findet in dieser Musik wenig, woran
er sich halten kann. Das aber ist, was diese Musik so abenteuerlich
und spannend macht.
Christian Rentsch, Tages Anzeiger, 26. Februar 2000
Sang & Klang herausgehÖrt
Zu seinem zehnten Geburtstag
hat sich das «Hardcore-Chambermusic»-Trio gemeinsam mit zwei Gast-Plattenspielern
von der Tradition der freien Improvisation in die Zukunft der Electronics
und Samples katapultiert. «Hot stuff» für Hinhörer (Intakt/ RecRec)
CASH präsentiert die wichtigsten CD-Neuerscheinungen, Februar
2000
Über dem Auge des Hurrikans
Koch-Schütz-Studer mischen ihren Kammermusik-Hardcore mit dem Elektro-Sound
von DJs aus New York: Am Donnerstag feierten sie zehn Jahre und eine
neue CD.
Dieses Trio hat die Neugier im Blut. Mit ihrer Offenheit, von der
die CD als «Roots and Wires» wiederum Zeugnis ablegt, wagten sich Hans
Koch (Saxofone, Electronics), Martin Schütz (elektrisches Cello, Electronics)
und Fredy Studer (Schlagzeug, Electronics) improvisatorisch geeicht
zum Live-Austausch mit den zwei Soundlab-Plattenspieler-Künstlern DJ
M. Singe und DJ I-Sound aus New York. Anlass des Schüür-Konzertes war
das 10-Jahr-Jubiläum des Trios sowie die brandneue CD.
Erstaunliches Kraftwerk
Roots and Wires ist Ð mehr als die bisherigen Projekte dieses Trios
Ð das Eintauchen in einen Klangprozess, der jede Minute und jeden Abend
anders tönt. Es wird nicht gross geprobt, und es werden keine Partituren
verteilt. Diese Konzerte leben ebenso stark von der Gnade des Moments
wie von der Professionalität der Mitwirkenden. Natürlich tauchen festgefügte
Parts auf, die man von der CD her kennt, und verfügt man über einige
Anhaltspunkte, wohin die nächste Passage führen könnte. Doch grundsätzlich
sind das Instant-Ausflüge ganz ohne Netz. Je nach Publikum, persönlichen
Launen und aktueller Gruppenchemie können sie unwiderstehlich frisch
und spannend geraten, oder aber im Mittelmässigen oder gar Unerheblichen
stecken bleiben.
Was wir am Donnerstag in der Schüür hörten, war ein stetes bis abruptes
Fluktuieren zwischen suchendem Herumstreunen und kraftvollen Power-Schüben,
mal verhalten und eher desorientiert, dann wieder auf der Höhe einer
unerhörten Kollektivintuition. Im Vergleich zur Premiere von Roots and
Wires am Jazz Festival Willisau 1998, wo allein schon die schiere Klangwucht
und das Interface der Plattenspielereingriffe faszinierten, kristallisieren
sich nun gewisse Brennpunkte dieser Musik heraus.
Zum einen: Die Elektronik allein ist nicht per se seligmachend und wegweisend,
aber sie verändert das Interplay erheblich. Zum andern: Das Kerntrio
ist und bleibt ein erstaunliches Kraftwerk. Die drei sind technisch
virtuos, haben Ideen und können sie blitzschnell aktivieren und umsetzen.
Auch wenn die Gelegenheiten an diesem Konzert rarer waren als auch schon:
Die Art und Weise, wie Koch sein Energiespiel auf treibendem Groove
in die Eskalationen treibt, wie Schütz auf seinem Cello Bassfiguren
entwickelt oder mit dem Bogen direkt in die Zentren der grellsten Frequenzen
greift oder wie Studer sich bei allen rundherum klopfenden Beats in
die Rhythmusgeflechte trommelt, ist immer wieder eine Freude mitzuhören.
Fragiler erwiesen sich die Bruchstellen zwischen dem Tonträger-Abrupto-Universum
der DJs und dem Landweg-Improvisations-Marsch der Instrumentalisten.
Hier kam es gelegentlich zu Stockungen und zum Abdriften. Jedoch: Statt
drauflos zu powern, bis die Klangbilder früher oder später deckungsgleich
wurden, versuchten die fünf immer wieder, innovative und musikalisch
stimmige Durchlässe zwischen Konservensounds und Instrumenten zu erreichen.
In diesen Passagen der sich auflösenden Durchdringung wurde die Musik
zu einem mikrotonalen Patchwork, das zwischen Stillstand und Katharsis
oszillierte, sich sozusagen sekündlich neu erfand und am Leben erhielt,
um früher oder später wieder auf den grossen Groove zu kommen.
Noise-Weltmeister
Der grosse Groove oder das sich Freispielen zu neuen Ufern wurde
an diesem Abend auffallend stark von der Elektronik induziert. Es waren
die gespeicherten Sounds der drei Musiker oder auch die gelegentlich
abrupt eingeschleusten Hardcore-Beats der Turntables, die richtungsweisend
waren, neue Dimensionen ankickten und die Klangprozesse neu aufmischten.
Im zweiten Set des Konzerts wurde der Druck erhöht, die Ausfaserungen
wurden geringer und die Autonomien der fünf Instrumentalisten zu schlüssigeren
Übereinkünften getrieben. Nach wie vor Weltmeister ist die Band im Erzeugen
von monumentalen und differenzierten Noise-Wänden, in denen Free Jazz
und Ragga und Ambient eingeschmolzen werden, bis auch der gröbste Hardcore
transparent wird und zu scheinen beginnt Ð wie ein Lidschatten über
dem Auge des Hurrikans.
Pirmin Possart, Neue Luzerner Zeitung; 26. Februar 2000
Erkundungen im Grenzgebiet
des Jazz
Als das Trio Koch-Schütz-
Studer vor zehn Jahren erstmals von sich hören machte, wurde es prompt
als eines der innovativsten der europäischen Improvisations-Szene gefeiert.
Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie die neuste CD «Roots and
Wires» nahelegt.
Koch-Schütz-Studer - das sind
der Saxofonist und Klarinettist Hans Koch, der Cellist Martin Schütz
(beide aus Biel) sowie der Schlagzeuger Fredy Studer (aus Luzern). Ihr
angestammtes akustisches Instrumentarium haben sie allerdings längst
mit den neusten Möglichkeiten der Elektronik umgeben. Damit ist der
Kern ihres musikalischen Konzeptes angesprochen: das uneingeschränkte
musikalische Experiment mit allem was verfügbar ist. Dazu gehört der
Rückgriff auf traditionelles Material, auf konventionelle Harmonien
und Rhythmen ebenso wie die Möglichkeiten der Elektronik, etwa des Samplings,
die Konfrontation mit Volksmusik und der Einbezug von Geräuschen (Noise).
Linien in Schieflage
Für ihr bereits 1998 am Jazzfestival Willisau vorgestelltes Projekt
«Roots and Wires» haben sie das Trio mit zwei DJs der New Yorker Szene
erweitert: mit DJ M.Singe (Beth Coleman) und DJ I-Sound (Craig Willingham).
Die in dieser Besetzung geschaffenen Klanggebilde sind ein permanentes,
oszillierendes Wechselbad. Klänge gehen über in Geräusche, scheinbar
stringente Linien geraten in Schieflage, Sounds entwickeln sich neben-,
über- und gegeneinander. Und es ist kaum mehr auszumachen, welcher Ton
von wem wie erzeugt wird.
Technik nicht als Selbstzweck
Die Gefahr derart exzessiver Versuche mit allem Verfügbaren liegt in
der Beliebigkeit, in einem postmodernen Patchwork. Das ist bei Koch-Schütz-Studer
indes nicht der Fall: Die Technik wird bewusst eingesetzt. Hinter den
dichten, kompakten Stücken spürt man den gestaltenden Willen, die Kreativität
der Musiker, ihre Lust am Spiel. So gelingt ihnen eine spannende, aber
auch fordernde Collage. Ihre Klangbilder nehmen ein und stossen ab,
sie irritieren und faszinieren. Doch bleibt eine durchwegs anregende
Auseinandersetzung, die einen an die Grenzen des Klangs und der Wahrnehmung
führt und die Frage nach dem Hören wie auch nach dem Hörbaren aufwirft.
Zu Recht wehren sich die Musiker denn auch gegen stilistische Zu- und
Einordnungen. Hardcore-Chambermusic nannte das Trio seine erste CD.
Das ist ein guter Titel und eine brauchbare Krücke.
Solothurner Zeitung, 23. Februar 2000
Radikal
Koch Schütz Studer plus DJ M. Singe und DJ I-Sound, «Roots and Wires»,
Intakt/RecRec. Die bislang radikalste Klangkur der extremsten Kapelle
der Schweiz, die seit zehn Jahren die Ohren mutiger Fans erschüttern.
Zwei prominente DJs aus der New-Yorker Illbient-Szene entlocken ihren
Apparaten Hip-Hop-Splitter, Musique-Concrète-Brocken und Hardcore-Breakbeats.
Dazu legen Drummer Fredy Studer und Elektrocellist Martin Schütz beinharte
Grooves, malt Freibläser Hans Koch wilde Linien. Dennoch folgt das Ganze
einer zwingenden Dramaturgie: Ein Hörfilm, zuweilen hypnotisierend,
in dem immer Neues zu entdecken ist. Jüngere Jazzer wenden sich der
Musik der Grossväter zu - dieses Trio wird mit dem Alter immer experimentierfreudiger.
Jazz lebt!
(nl), Facts, 17. Februar 2000
Aussergewöhnlicher
Beigrag zur Gattung «Jazz und Lyrik»
Nachdem das Schweizer Trio Koch-Schütz-Studer je ein Album mit
kubanischen Musikern, ägyptischen Musikern und DJs eingespielt
haben, haben die drei in ihrem neusten Projekt sich mit dem Schweizer
Dichter Christian Uetz zusammengetan. Die Texte von Uetz und sein grossartiger,
stimmakrobatischer Vortrag stehen im Zentrum der CD. Thema seiner Dichtung
ist das Wort und dessen Verhältnis zur Wirklichkeit. Die drei Musiker
begleiten und ergänzen den Vortrag auf kongeniale Weise. Wort und
Musik verfliessen ineinander und bilden ein homogenes Ganzes. Die vier
Schweizer haben einen der interessantesten und aussergewöhnlichsten
Beiträge zur Gattung «Jazz und Lyrik» geleistet.
E.W. Jazzlive, Magazin für zeitgenössische Musik, Wien,
136, 03
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