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CD-REVIEWS
Priska Walss-Gabriela
Friedli
Intervista. Intakt CD 087
Ungezwungen zwingend: das Duo Gabriela Friedli und Priska Walss Die Pianistin Gabriela Friedli und die Posaunistin Priska Walss hat man in der Zürcher Musikszene als flexible und virtuose Musikerinnen kennen gelernt. Weniger bekannt war bisher ihr Duo Frappant, das sie nun auf der CD «intervista» und heute Samstag auch live in der Roten Fabrik vorstellen. Kein Plan, kein Konzept und nicht mal ein richtiges Konzert. Nur irgendwann vor Jahren der Zufall einer Veranstaltung, die durch etwas Musik aufgelockert werden sollte. War's eine Trauung, eine Tagung? Jedenfalls wollte die Posaunistin und Alphornistin Priska Walss damals nicht alleine auftreten. Lieber zu zweit: zusammen mit ihrer damaligen Wohngenossin, der Pianistin Gabriela Friedli. Walss studierte am Konservatorium, Friedli an der Jazzschule, sie unterstützten sich gegenseitig vor Prüfungen und spielten nun bereits gelegentlich zusammen - bald einmal als Duo Frappant. Nach einigen Versuchen mit komponierten Stücken oder Jazzstandards stellte sich heraus, dass sie in der freien Improvisation eine gemeinsame Sprache finden konnten. Die beiden Musikerinnen bewährten sich in den letzten Jahren in verschiedenen Formationen zwischen Klassik, Jazz und Improvisation als ebenso flexible wie eigenständige Instrumentalistinnen. Friedli etwa spielt im prominenten Zürcher Nonett Billiger Bauer. Und Walss, die immer wieder auch klassische Musik interpretiert, gilt nicht nur als originelle Posaunenvirtuosin. Auch am Alphorn sorgt sie für Furore, indem sie neue Klänge aus dem ausgehöhlten Stamm zaubert und ihn von den Zwängen der Tradition befreit. Im Duo aber haben sie die Öffentlichkeit bisher stiefmütterlich behandelt. Sie hätten ihr Zusammenspiel eben lange Zeit fast als eine Art Hobby gesehen, meint Gabriela Friedli. So musste es eigentlich nicht kommen, wie es gekommen ist: Friedli und Walss haben sich zwischen 2000 und 2002 dreimal im Studio getroffen und nun aus einer Auswahl der Aufnahmen eine erste CD herausgebracht: «intervista» ist eine Art Werkschau ihrer Improvisationskunst, die sie nun auch einem grösseren Publikum präsentieren wollen - etwa heute Samstag in der Roten Fabrik. Wahrscheinlich war gerade das ungezwungene Musizieren, das Spiel ohne Druck, ohne forcierten Ehrgeiz, ausschlaggebend dafür, dass die beiden Stimmen langsam zusammenfinden konnten in einer zwar improvisierten, aber sehr stringenten Musik. Duos erweisen sich in der freien Improvisation oft als heikel. Denn in der dialogischen Intimität wird jede Unachtsamkeit sofort hörbar. Vorsicht und Rücksicht sind geboten, sollte man meinen. Doch Frappant setzt eher auf Risikobereitschaft und Offenheit. Das gegenseitige Vertrauen ist so gross, dass man sich auch Brüche und musikalische Zwietracht leisten kann. Sie ärgere sich, wenn improvisierende Musiker «zu lieb» miteinander umgingen, sagt Gabriela Friedli. Man solle auch Abstürze wagen, es müsse nicht immer alles schön sein . . . «Doch, doch!» Walss fällt der Kollegin ins Wort: «Auch Abstürze können sich als gut und schön erweisen in einer Improvisation.» - Von einengenden Anleitungen zur Improvisation hielten sie wenig. Friedli gibt zu, dass sie gar den Klavierdeckel zuklappe, wenn sie beim Spielen das Gefühl habe, ein Mitmusiker sei in einer Idee befangen, die er sich zuvor zurechtgelegt habe. Früher sei ihr Spiel radikaler gewesen, findet Friedli. Heute dafür formal reifer. Das mag daran liegen, dass sie beide erste musikalische Erfahrungen in der europäischen Klassik gesammelt haben - Walss am Konsi und Friedli zu Hause, wo ihre Mutter, eine Gitarristin, sie gerne in eine klassische Karriere gelenkt hätte. So war die Improvisation zunächst ein Akt der Befreiung, ein Bruch und ein Aufbruch zu persönlicher Expressivität. Unterdessen aber lassen sich die zwei Musikerinnen wieder inspirieren von traditionelleren Klängen aus Jazz oder Klassik. Das zeigt sich auch auf der
CD «intervista». Piano und Orgel einerseits, Posaune und Alphorn andrerseits
bewegen sich zwar auf eigenen, verschlungenen Wegen, und die herkömmliche
Hierarchie von Leadstimme und Pianobegleitung wird vielfältig variiert,
verdreht oder aufgehoben. Aus der klangfarblichen Vielfalt der Posaune
aber sind bisweilen Einflüsse aus dem frühen Swing herauszuhören; und
das alerte Spiel der beiden Stimmen ergänzt sich mitunter in gleichsam
barocker Polyphonie. In den tieferen Registern des Klaviers erklingen
Linien, wie man sie von T. kennt, oder schillernde Akkorde in der Art
von M. - Gabriela Friedli und Priska Walss allerdings halten gar nichts
von solchen Vergleichen. Und vielleicht verstopfen Namen ja tatsächlich
nur die Ohren - statt sie zu öffnen für die rhapsodische Frische von
Frappant.
Zwie Spielerinnen des freien
Zürcher Jazz im eigensinnig-einnehmenden Austausch. Walss'Hörner
(Posaune und Alphorn) stossen sich nicht männlich-bratzig ab, sondern
sprechen eine sinnlich-intellektuelle Sprache, deren Ruf vom energischen
Klavierspiel Friedlis aufgenommen wird. Gut zu hören, wie differente
Sprachen korrespondierend zu gemeinsamer Stärke kommen können.
JAZZ ALBUM OF THE WEEK
Ein vielversprechendes
Signal aus den Bergen
Priska Walss brings a Swiss element to this largely, free-form duo setting, by incorporating an Alphorn into her palate. However most of the time, sheÕs performing on trombone. Her musical partner, Ms. Gabriela Friedli uses a piano and organ throughout this curiously interesting endeavor. The Swiss artists have been performing together for quite some time. Per the liners, they Òdiscovered astonishing similarities, through the medium of improvisation.Ó Ms. Walss frequently employs a muted, wah-wah trombone style, as she often injects humor and pathos into these duets. No doubt, the musicians share a common thread here, witnessed by the multifarious track mix. The music is inherently free in scope. And they render a quaint atmosphere, supplanted by a creative stream of ideas, throughout. On the piece Òfil bleu,Ó FriedliÕs droning organ and WalssÕ rather pensive, trombone work sparks notions a journey into a forbidden land. They bump and grind on the aptly titled piece ÒRough.Ó Here, the artists quietly execute a sequence of sweltering grooves, consisting of turbulent dialogues amid playful banter. ThereÕs lots of contrast and variably engineered motifs. Whereas, the musicians render an off-kilter syncopated rhythm on ÒBubalus Brubalis.Ó Ultimately, the listener should detect quite a few subliminally tinted surprises during the preponderance of this delightful endeavor. Record Label Glenn Astarita, Jazzreview, USA, April 2004 (http://www.jazzreview.com)
Schon seit 10 Jahren musizieren
Priska Walss und Gabriela Friedli als Duo Frappant miteinander; nun
ziehen sie ein Resümee ihrer musikalischen Beziehung in Form einer
13-teiligen improvisierten Suite. Die beiden Musikerinnen, welche auch
durch Kollaborationen mit Urs Voerkel und Omri Ziegele bekannt sind,
bringen den europäisch-klassischen Background sehr subtil in ihre
Posaunen-Klavier-Interaktionen ein. Diese fallen einmal ironisch pointiert,
einmal lyrisch versponnen, einmal rhythmisch drängend aus, sind
aber immer aus dem Dialog entwickelt und v.a. deshalb spannend und kurzweilig.
Wie sich Priska Walss und Gabriela Friedli in insistierende Ostinati
verbeissen, dann wieder die Zeit quasi einfrieren lassen und dabei lustvoll
aus dem Fundus der Jazzgeschichte sowie aus Volks- und Neuer Musik zitieren,
ist schon hörenswert.
PRISKA WALSS/GABREELA FRIEDLI
Intervista Intakt CD 087
Capita di rado di ascoltare
un duo composto da una trombonista nelle vesti d'accompagnatrice di
una pianista. In genere, gli si preferisce un sassofonista con l'idea
che le tre valvole di questo strumento, dalla forma così "cilindricamente"
noiosa [ah!], concedano giochi timbrici più modesti di quelli accolti
nelle chiavi del sax. Priska Walss e Gabriela Friedli dimostrano che
non c'è nulla di più erroneo in questa visione. Uso delle valvole, ance,
sintassi e struttura del trombone e utilizzo dell'alphorn [lungo corno
di origine svizzera con bocchino a tazza, cameratura conica e parte
terminale a forma di campana] valorizzano, al contrario, soluzioni che
aprono a figure del tutto originali e inedite. In tal senso, Intervista
è una piccola lezione di stile. Nella scena del jazz svizzero contemporaneo,
Priska Walss e Gabriela Friedli si sono messe in luce per le loro collaborazioni
con il pianista Urs Voerkel e con la Billiger Bauer Band di Omri Ziegele.
Ma la forza che sprigionano nel loro primo lavoro, Intervista, deriva
più facilmente da anni di stretta e assidua collaborazione. I modi ritmici
aperti in questi tredici brevi temi presuppongono, infatti, un'intesa
radicata, intima, profonda. I tredici temi proposti serbano forte l'impronta
della formazione classica, impronta che a tratti pare evaporare nelle
maglie dell'improvvisazione, rimanendone a volte anche imbrigliata.
La Walss suona in sordina con il suo trombone, borbotta, bofonchia e
farfuglia prediligendo il più delle volte i toni bassi. La Friedli elegge
inevitabilmente intervalli orecchiabili e forme aperte. Il gioco che
ne risulta è piacevole, curioso, anche se mai pienamente coinvolgente.
Il modo-improvvisazione è realizzato senza seguire soluzioni solipsistiche.
La Walss e la Friedli si coinvolgono a vicenda, come dovessero tradurre
in pratica lo svolgimento di vera e propria intervista in cui l'una
spinge l'altra ad ampliare la propria idea. L'intervista raggiunge momenti
di sincero lirismo, dal profilo discreto e asciutto. Si ascolta tutta
d'un fiato, ma bisogna rileggerla molte volte per assimilarne l'essenza.
In futuro, c'è solo da augurarsi che il tempo concesso alle risposte
si dilati. |