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CD-REVIEWS
FRIEDLI
- STREIFF - SCHLEGEL - ULRICH
Objets Trouvés. Fragile. Intakt CD 102
Schon der
Name der Band ist programmatisch: die vier Musikerlnnen hätten
sich ja auch Gabriela Friedli Quartett nennen können, ohne damit
allerdings das Prinzip ihrer musikalischen Herangehensweise zu treffen.
Der Begriff "Objets trouvés" bedeutet in etwa "Dinge
des Alltags" und hat in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts,
etwa bei Marcel Duchamp, eine wichtige Rolle gespielt. Duchamp erhob
alltägliche Gebrauchsgegenstände zu Kunstwerken, indem er
sie in einen neuen Kontext stellte, objets trouvés, das Quartett
mit Co Streiff (sax), Gabriela Friedli (p), Jan Schlegel (eb) und Dieter
Ulrich (dr), arbeitet mit Themenfragmenten, Akkordfolgen oder komplexen
rhythmischen Mustern, die allesamt von Friedli stammen und dann bei
jedem Konzert (und selbstverständlich auch bei dieser Studioaufnahme)
in neue musikalische Zusammenhänge gebracht werden. Ein spannendes
Unterfangen, in dem Komposition und Improvisation einander innig durchdringen.
Die Zürcher Pianistin
Gabriela Friedli hat sich in Impro-Projekten einen Namen als eigenständige
Musikerin erspielt. Für ihr Quartett Objets trouvés hat
sie Kurzkompositionen geschrieben, die sie in den kollektiven Improvisationsschredder
wirft. Als Resultat sind auf «Fragile» vier organisch entstandene
Suiten zu hören, die von Co Streiff (Sax), Jan Schlegel (E-Bass)
und Dieter Ulrich (Drums) ebenso geprägt sind wie von Leaderin
Friedli.
The members of this finely
tuned quartet play 'lost and found' with pre-designed themes amid long
stretches of group improvisation. But it's hard to tell which is which.
As pianist Gabriela Friedii elaborates on small motifs and builds coherent
long form structures, saxophonist Co Streiff insinuates melodies with
cool, fluid phrasing and an occasional hint of whimsy she's more vocal
on soprano, more distinctive on alto saxophone. The rhythm section of
electric bassist Jan Schlegel and drummer Dieter Uirich invents patterns
and rides irregular metres designed to realign relationships and redirect
the flow of material. An uncomfortable tension emerges when the group
get locked into particularly stiff rhythms, but Friedi's compositional
bent eventually finds ways to extricate them from dead ends. Their interaction
may appear fragile, but it's actually as tough as steel wool.
Frische Musik
Comme l’affirme
Tom Varner dans les liner notes, Objets trouvés n’est pas
le quartet de Gabriela Friedli mais une formation autonome utilisant
les compositions de la pianiste pour enrichir l’improvisation.
Parfois simples articulations, parfois matériaux primitifs et
nécessaires, les mélodies et autres astuces rythmiques
de la pianiste ne sont en aucun cas un frein à l’expression
de chacun et chacune, mais au contraire, lient la musique d’une
densité forte et collective. Blocs mouvants, dérivants
ou stoppés nets, les passages en trio piano – basse –
batterie, à force de ténacité obsessionnelle, sont
admirables de force et de densité. Un disque fourmillant d’idées,
de géométries mouvementées.
Strenge Komposition oder
freie Improvisation? Für Gabriela Friedli (Piano), Co Streiff (Saxofone),
Jan Schlegel (E-Bass) und Dieter Ulrich (Schlagzeug) heisst die Antwort
«und». In ihrem Quartett Objets trouvés spielen sie
Kompositionen von Friedli, lassen diese in Improvisationen münden,
um daraus neuerdings in vorgedachte Bahnen zurückzukehren. Das
Wechselspiel, klingendes Kaleidoskop, gehört zum Spannendsten,
was die heimische Jazzszene derzeit zu bieten hat.
Weaving a musical tapestry
using improvised threads to envelop written material is hardly a new
venture; after all, the process has been present since the creation
of this music. That being said, the resulting picture isn’t always
a cohesive whole, proving just how difficult it is to pull it off with
success. Enter the Swiss quartet Objets Trouvés, consisting of
some of Zurich’s sharpest talents: pianist Gabriela Friedl, saxophonist
Co Streiff, electric bassist Jan Schlegel, and drummer Dieter Ulrich. Sometimes I think about the
distance that passes between two different meanings of the word "mainstream":
the one that refers to those characteristics that are "objectively"
an accepted part of any given musical idiom, the other the one that
refers to what mass audiences really consider as something they are
prepared to like. And those two can differ quite dramatically! A good
example of this being this CD: on one hand, quite easy to grasp, absolutely
not too hard on the ear, well played, well recorded; but too subtle,
I suspect, too distant from the usual theme-solo-solo-theme framework,
too devoid of those cheap showy tricks which many times are the real
reason for a successful release.
Un quartet surprenant d'une
nouveauté très fraîche. Comprenant Gabriela: p,
Co Streiff: ass, Jan Schlegel: e-b, Dieter Ulrich: dr. Ils nous interprètent
quatre morceaux qui sont, paraît-il, des objets trouvés.
En fait il s'agit de compositions de la pianiste, entremêlées
d'improvisations, ou, si vous voulez, le contraire. Un travail spontané
où la qualité des participants donne à ces interprétations
un aspect mélodique très intéressant qui ne peut
que séduire. Dialogue qui induit une grande culture de la part
de ces musiciens, ce qui apporte à leur musique une certaine
beauté, étrange mais réelle. Une forme de contradiction
sans cesse renouvelée où l'aisance est réelle.
Sous ce nom de groupe se
cache un quartette suisse animé par la pianiste Gabriela Friedli
dont nous avions saluée "Intervista" en duo avec la
tromboniste Priska Walss dans notre no. 100 (mars 2004). Ce nouvel aspect
de son travail s'avère tout aussi intéressant et peutêtre
encore plus exigeant. Estce parce que ses compositions/propositions
s'adressent à une formation instrumentale traditionnelle dans
le jazz? Et est-ce parce que le choix de renoncer à l'originalité
à tout prix demande une grande lucidité et une égale
humilité ? Nous entrerons peut-être avec quelque hésitation
dans un parcours musical difficile, rigoureux, parfois souple, étiré,
ouvert, parfois heurté, concentré. Mais nous nous rendrons
compte bien vite que l'austérité n'est qu'apparente, que
la musique progresse en crescendo à l'image du discours pianistique
parfaitement maîtrisé et articulé, que la musicalité
et la qualité du son de la saxophoniste Co Streiff nous touchent
particulièrement et que basse et batterie s'acquittent à
merveille d'une partition rythmique complexe. Les quatre musiciens travaillent
ensemble depuis 1999, ce qui ajoute à la cohésion et leur
permet d'atteindre un niveau de jeu élevé.
Ergänzend zu den fixierten
kurzen, zwischendurch gemeinsam intonierten Themen wirft die Zürcher
Pianistin wie beiläufig knappe, fragmentariIsche, motivische oder
klangliche Fundstücke in die Musiker-Runde – mal hören,
was die KollegInnen damit anfangen, daraus machen, wie sie, inspiriert
davon, vielleicht selbst derartige Miniaturen kreieren, verarbeiten,
weiterentvvickeln, bis ein spannend fluoreszierendes, dichteres oder
durchsichtigeres Geflecht von Skalen, Strukturen, Formen oder auch nur
kumulierten Akzenten entsteht, sich festigt, um sich langsam wieder
aufzulösen, zu verflüchtigen, in der Erinnerung zu verblassen.
Ziel auf dieser Basis sind die intuitiven Spontanimprovisationen frei
agierender und reagierender Spieler, die in ihrer manchmal kontrapunktisch
anmutenden Linearität an Tristanos berühmtes "Intuition"
erinnern. Spannend vor allem, wie sich die wunderbare Saxophonistin
Co Streiff hier ausserhalb des gewohnten Umfelds eigener Gruppen artikuliert
in leisen, ruhigen wie in expressiven Komplexen eine klare "Sprache"
spricht, sich immer wieder sehr kommunikativ mit grossen, weiten Linien
ins kollektive Geschehen einmischt oder es z.B. mit der Pianistin zu
stellenweise ausdrucksintensiven Dialogen kommen lässt.
Es ist paradox! Das Quartett
Objets Trouvés der Pianistin Gabriela Friedli und der Saxofonisten
Co Streiff bewegt sich in scheinbar konventionellen Bahnen und stellt
dennoch die bewährten Muster des Jazz auf den Kopf. Hier reiht
sich kein Solo ans andere, sondern oft verzahnt sich das Stegreifspiel
auf raffinierte Weise. Spontane Einfälle bewirken einen plötzlichen
Richtingswechsel, wobei den Hörerwartungen ein Schnippchen geschlagen
wird. Die Musikerinnen verwischen die Linie zwischen ausnotierten und
improvisierten Sequenzen, lösen die Strukturen gelegentlich ins
Abstrakte auf, um sie danach wieder auf verblüffende Weise zusammenzusetzen.
Auch kurze Ausflüge in freies Klangterrain sind nicht Tabu, bevor
die Musik wieder in einen federnden Beat übergeht. Produktionen
dieser Güteklasse haben der Schweiz den Ruf eingebracht, momentan
vielleicht das interessanteste Jazzland Europas zu sein.
Objets trouvés is
a Swiss quartet consisting of Gabriela Friedli on piano, Co Streiff
on alto and soprano saxophone, Jan Schlegel on e-bass and Dieter Ulrich
on drums.Two women and two men unite on four compositions by Friedli.
Seit seinen Anfangstagen
lebt der Jazz von der Spannung zwischen den Polen Komposition und Improvisation,
wobei kaum je eines der beiden Extreme in Reinkultur anzutreffen ist.
Natürlich finden sich auch für diese Regel Ausnahmen, doch
kommt selbst der «improvisierteste» Jazz selten ohne strukturelle
Vorgaben aus. Die Pianistin und Komponistin Gabriela Friedli macht sich
die angesprochene Dialektik zunutze, indem sie «vorgedachte»
Elemente in einen leeren Improvisationsraum stellt - und damit verrät,
dass sie gleichermassen in zwei Welten zu Hause ist: sowohl im Jazz
als auch in der sogenannten «Freien Improvisation», die
Anknüpfungspunkte mit der E-Musik besitzt. Mit der Saxofonistin
Co Streiff, dem Bassisten jan Schlegel und dem Schlagzeuger Dieter Ulrich
hat Gabriela Friedli eine Mitstreiterin und zwei Mitstreiter gefunden,
die ihren offenen Ansatz teilen und bereit sind, die von ihr aufgestossenen
Improvisationsräume zu erkunden. Das Zürcher Ouartett, das
sich den Namen «Objets trouvés» gegeben hat, legt
mit «Fragile» ein Album vor, auf dem Friedlis entwurfartige
Kompositionen als Angelpunkte für ausgedehnte improvisatorische
Exkurse dienen, in denen die gewohnte funktionelle Unterscheidung zwischen
Solist und Begleitern aufgehoben wird. Dabei reicht eine kurze Phrase
oder ein Groove, um das Geschehen wieder zusammenzuführen. Wenn
die Linernotes sagen, dass kein Auftritt des Viergespanns dem anderen
gleicht, so glaubt man das ohne weiteres.
Nelle note di copertina Tom
Varner chiarisce che «questo non è un MUSICA JAZZ 71 disco
del quartetto di Gabriela Friedli. Objets trouvés è un
quartetto che suona composizioni o temi o frammenti di temi scritti
dalla Friedli, intrecciandoli con l’improvvisazione ». Prendono
così forma quattro lunghi brani, «suite spontanee»
in cui infinite situazioni, a volte anche contrapposte, si susseguono
in maniera sorprendente e sempre leggibile, lasciando che la tensione
si contragga e si allenti con rapidità. La solida e comune esperienza
rende possibile una narrazione musicale fluida, anche se impegnativa
e mai gratuita. Colpiscono l’autorevole, densa concretezza della
pianista, la lucidità morbida della sassofonista, la maestria
fantasiosa del contributo, non solo ritmico, di Schlegel e Ulrich. Alcuni
momenti (per esempio il tema iniziale di Pugglig, con quell’andamento
ritmico e la relativa voce sassofonistica della Streiff) possono sembrare
una versione più rilassata e naturale di certa musica di Steve
Coleman. Non sono comunque che fugaci bagliori, che lasciano subito
il posto ad altre idee, contrastate o diafane, ma sempre altrettanto
naturali. Un disco forse non indispensabile, ma di grande onestà
culturale e partecipazione emotiva, merci che oggi scarseggiano sul
mercato. |