SCHAFFHAUSER
JAZZGESPRÄCHE
Edition 02
Patrik
Landolt / Urs Röllin (hrsg.)
144 Seiten. 25 CH-Franken. Chronos Verlag Zürich 2007
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In der Schweiz ist eine der spannendsten
Jazzszenen Europas herangewachsen mit namhaften MusikerInnen, zahlreichen
Spielstätten, Festivals, international tätigen Jazzlabels und mehreren
Jazzschulen. Nach einer langen Ära der Pioniere befindet sich die Schweizer
Jazzszene im Prozess der Institutionalisierung. Was bedeuten diese Prozesse
für die MusikerInnen? Für die Entwicklung der Musik? Für das
Publikum? Für die Kulturförderung?
Die Schaffhauser Jazzgespräche bündeln den Stand der Debatte. Die
Referate und Diskussionen der beiden Jahrgänge 2005 und 2006 liefern
Zusammenhänge, Daten und Material. Sie zeigen das hohe Reflexionsniveau
der Szene, machen aber auch Defizite klar. Denn letztlich geht es darum, die
Diskrepanz zwischen der Kreativität der Musikerinnen, der Vitalität
des Jazz und der mangelnden öffentlichen Anerkennung, die sich in den
Förderungszahlen manifestiert, zu beheben und so dem Jazz in der Schweiz
eine neue Perspektive zu geben.
INHALT
Vorwort
Patrik Landolt, Urs Röllin
Alle lieben den Jazz. Schaffhauser Jazzgspräche Edition 2
Jazz heute
Christian Broecking
Schrumpfende Dominanz. Wie überholt ist der amerikanische, wie aktuell
der europäische Jazz?
Martin Schütz
Die Gleichzeitigkeit des Anderen. Improvisation, Elektronik, Theater.
Isolde Schaad
Rattenfänger der Konzentration. Jazz und Schreiben - Ein paar Gedanken
aus meinem Metier
Peter Weber
Drei, Zwei, Eins. Scheidegger und Bonze
Jazz und Kulturpolitik in der Schweiz
Urs Leimgruber
Zwischen Emanzipation und Verschulung. Ein Blick von aussen auf den Jazz in
der Schweiz
Christian Rentsch
Wie bleibt der Schweizer Jazz erfolglos? Anpassung oder Autonomie
Frank von Niederhäusern
Hydrokultur statt Giesskanne. Die öffentliche Jazzförderung der
Schweiz im Umbruch
Peter Rüedi
Daheim und daneben - Jazz, Volksmusik und Swissness
Christoph Merki
Ist Jazz eine Fremdsprache in der Schweiz? Von unverwüstlichen alten
Heimatkonzepten und einer Musik, die sich darum nicht kümmert
Debatte
Christoph Baumann, Lucas Heuss, Peter Rüedi, Daniel Schnyder,
Priska Walss, Richard Butz (Gesprächsleitung)
Wenn der Jazz jodelt. Was taugt die Schweizer Volksmusik für den Jazz?
Beatrice Graf, Hämi Hämmerli, Daniel Schneider, Lisette
Spinnler, Omri Ziegele, Andreas Müller-Crepon (Gesprächsleitung)
Im Mercedes zum Jazzgig. Zur Lage der JazzmusikerInnen in der Schweiz
Institutionalisierung des Jazz und Lobbying
Marianne Doran
Vom Keller in die Teppichetage. Die Jazzhochschule.
Barbara Gysi
Welche Lobby braucht der Jazz? Der Jazzclub.
Toni J. Krein
Welchen Jazz braucht die Lobby? Die Jazzbank.
Urs Schnell
Die JazzmusikerInnen-Organisation. Stete Präsenz als Lobbying Nachwort
Nachwort
Roland E. Hofer
Das neue Selbstbewusstsein des Schweizer Jazz. Die dritten Schaffhauser Jazzgespräche
Fotos von Francesca Pfeffer und Peter Pfister.
Alle lieben den Jazz
Vorwort von Patrik Landolt und Urs Röllin
«Jazz ist, was Werber als Brand bezeichnen: ein Markenzeichen, ein Gütesiegel
… Warum bloss geht es den Schweizer Jazzmusikern so schlecht?»
Der Journalist und Musikkritiker Christian Rentsch bringt den Widerspruch,
der die Schweizer Jazzszene seit Jahren beschäftigt, in seinem Referat
an den Schaffhauser Jazzgesprächen auf den Punkt. Es gibt heute kaum
einen Politiker, kaum einen Bankdirektor, kaum einen Werbefachmann, der sich
nicht als Jazzfan outen liesse. Jazz ist in. Umso erstaunlicher ist es, dass
die JazzmusikerInnen oder Konzertveranstalter, die in der Schweiz tätig
sind, davon kaum etwas merken. In der Schweiz gibt es gerade ein paar wenige
JazzmusikerInnen, die von ihrer Konzerttätigkeit leben können. Die
Mehrheit der Jazzmusiker verdient den Lebensunterhalt mit anderen Beschäftigungen.
Der Zürcher Bandleader und Saxophonist Omri Ziegele betont, dass die
Honorare, welche die Clubs in der Schweiz für Konzerte bezahlen, nichts
anderes als Spesenentschädigungen sind. Er hält fest: «Die
Musikerhonorare haben sich in den letzten 25 Jahren nicht bewegt.» Honorarforderungen,
die schon vor 25 Jahren von den MusikerInnen gestellt wurden, werden heute
rundum unterlaufen. Ziegele: «Wenn mir ein Club heute 300 Franken anbietet,
ist es einfach nicht anständig.»
Frank von Niederhäusern liefert in seiner Recherche, die er 2005 im Auftrag
des Schweizer Musik Syndikat (SMS) für die Schaffhauser Jazzgespräche
über die Jazzföderung in der Schweiz machte, ernüchternde Ergebnisse.
Mehrheitlich wird Jazz bei der Kulturförderung als derart marginale Kulturgattung
behandelt, dass er im breit geführten öffentlichen Diskurs kaum
Beachtung findet. Verglichen mit der Unterstützung von etablierten Kultursparten
wie der Oper, der Stadttheater oder massenwirksamen Genres wie dem Film sind
die Unterstützungsbeiträge, welche dem Jazz zugute kommen, verschwindend
klein.
Das Unbehagen mit der heutigen Kulturförderung äussern alle, die
im weiten Feld des Jazz tätig sind: die JazzmusikerInnen, die VeranstalterInnen,
die Labels, Musikschulen, die Medienleute. Das Problem ist einfach zu orten
und liegt in erster Linie bei der mangelnden Unterstützung der öffentlichen
Hand. Denn ohne bessere Förderung kommt der Prozess der Professionalisierung,
den die Jazzszene bitter nötig hat, nicht in Bewegung. Über Zahlen
aber wird nicht gerne geredet. Kulturpolitiker scheuen den Vergleich zwischen
der Förderung der Oper, der Kunstmuseen, der grossen Theaterhäuser
mit einer relativ jungen Musik, die der Jazz auch nach einer hundertjährigen
Entwicklungsgeschichte ist. Ohne die Qualität anderer Kunstformen in
Frage zu stellen, sind Vergleiche und Fragen nötig: Ist es gerechtfertigt,
dass in Zürich die Oper gut hundertmal mehr staatliche Subventionen bekommt,
als die Jazzmusik?
Die Musikwelt hat sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert.
In der Schweiz ist eine der spannendsten Jazzszenen Europas herangewachsen
mit namhaften MusikerInnen, zahlreichen Spielstätten, Festivals, international
tätigen Jazzlabels. Die inszwischen in die Fachhochschulen integrierten
Jazzschulen bilden Generationen von MusikexpertInnen, LehrerInnen, KonzertmusikerInnen
aus. Nach einer langen Ära der Pioniere befindet sich die Schweizer Jazzszene
im Prozess der Institutionalisierung. Marianne Doran, Prorektorin der Musikhochschule
Luzern und Barbara Gysi, Präsidentin des Jazzclubs Moods, können
Erfolgsstories präsentieren, wenn sie die Entwicklung ihrer jungen Institutionen
schildern und damit Beispiele der jüngsten Veränderungen in der
Jazzszene liefern. Was bedeuten diese Prozesse nun für die MusikerInnen?
Für die Entwicklung der Musik? Für das Publikum? Für die Kulturförderung?
Der Institutionalisierungsprozess in der Schweizer Jazzszene hinterlässt
seine Spuren auch am Schaffhauser Jazzfestival, in dessen Rahmen die Schaffhauser
Jazzgespräche bereits dreimal stattgefunden haben. Das Festival präsentiert
seit 18 Jahren ausschliesslich Gruppen aus der Schweiz und zeigt den Stand
der Entwicklung des heutigen Jazz zwischen Rhône und Rhein. Dass am
Jazzfestival Schaffhausen über Jazz auch öffentlich debattiert und
nachgedacht wird, ist nahe liegend, ja sogar zwingend. Die drei ersten Jahrgänge
der Jazzgespräche, gedacht als Experiment und Versuchsphase, bündeln
den Stand der Debatte. Die Referate und Diskussionen liefern Zusammenhänge,
Daten und Material. Sie zeigen das hohe Reflexionsniveau der Szene, machen
aber auch Defizite klar. Nach den ersten Schritten auf dem Weg der Institutionalisierung
fordern die Weiterentwicklung und die Professionalisierung der Infrastrukturen
noch viel Arbeit. Leider findet der regelmässige Austausch zwischen den
unterschiedlichen AkteurInnen nur vereinzelt statt. Die Jazzszene in der Schweiz
ist nur schwach vernetzt, der Organisationsgrad unter den MusikerInnen und
VermittlerInnen ist klein. Im täglichen Überlebenskampf finden die
MusikerInnen, VeranstalterInnen oder VerlegerInnen kaum Zeit, gemeinsam Projekte,
Ziele und politische Strategien zu entwickeln. Die Jazzgespräche in Schaffhausen
können als Ort der Begegnung, Reflexion Debatte und Vernetzung dazu einen
Betrag leisten. Denn letztlich geht es darum, die Diskrepanz zwischen der
Kreativität der Musikerinnen, der Vitalität der Kunstform und der
mangelnden öffentlichen Anerkennung, die sich in den Förderungszahlen
manifestiert, zu beheben und so dem Jazz in der Schweiz eine Perspektive zu
geben.
Dass die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, die in den letzten drei Jahren
in diesem Rahmen in Podien und Referaten selbst Gegenstand der Debatte und
Kritik war, sowie Stadt und Kanton Schaffhausen die Schaffhauser Jazzgespräche
unterstützen, möchten wir an dieser Stelle verdanken.
Rezensionen:
Schaffhauser
Nachrichten, 15.5.07
Rigobert Dittmann, Bad Alchemy,
Deutschland, August 2007
Reiner Kobe, Jazzpodium,
Juli/Aug 2007