INTAKT RECORDS – CD-REVIEWS
Oliver Lake - Reggie Workman - Andrew Cyrille
TIME BEING
Intakt CD 106

 

 

Meteo-Jazz
«Time Being» versammelt ein Trio aus amerikanischen Jazzschwergewrichten: den Kontrabassisten Reggie Workman, den Schlagzeuger Andrew Cyrille sowie Oliver Lake am Saxofon. Die Zahl der Instrumente ist beschränkt, die musikalische Mannigfaltigkeit laber immens. jedes Stück klingt anders. Viele jähe Wetterumschläge - wiederholt wachsen ordnungsvolle Welten im Unabsehbaren. Man merkt, dass die drei Musiker ihre Kunst des Wechselspiels seit mehr als einem Jahrzehnt betreiben. Kaum ein Tasten in frei improvisierten Passagen, das Trio ist immer gleich bei einer Aussage. Nicht immer unanstrengend, aber voller prickelnder Ideen.
Christoph Merki, Tages-Anzeiger, Zürich, 17. Mai 2006

 

Das Booklet macht'die Rechnung auf: 130.Jahre kumulierte Erfahrung in improvisierter Musik. Drei Instanzen der Great Black Music der Jahrgänge 42, 37 und 39, die mit Hawkins, Coltrane, Monk, Shepp, Taylor oder Braxton auf der Bühne standen, trafen sich im März 2005 in Brooklyn zu dieser feinen Lehrstunde des freien Jazz. Das braucht keinerlei Kraftmeierei, sondern ist ein konzentriertes, ein luftiges, zupackendes, reifes und sehr weises Zusammenspiel von Saxophon, Bass und Drums. Bündige Solos und großes Verstehen in absoluter Gleichberechtigung dreier Autoritäten.
Ulrich Steinmetzger, Leipziger Volkszeitung, 26.5.06

 

 

Der Free Jazz - vielfach verrufen, tot gesagt oder tot gespielt - ist auch im neuen Jahrtausend lebendig und rege. Die drei Protagonisten des Trio 3 sind allesamt über 60, haben also noch die heiße Free-Jazz-Phase der 60er Jahre persönlich miterlebt. Im Trio 3, das seit 1988 zusammenspielt und eine Reihe von CDs vorgelegt hat, ziehen sie ein persönliches Fazit. Die zehn Eigenkompositionen bilden die Basis für nahezu durchgängige Improvisation, gleichberechtigtes Ensemble-Spiel und virtuoses Jonglieren von Zeit und Klangfarben. Dazu tritt eine spirituelle Dimension, die die bemerkenswerten Free-Jazz-Performances von John Coltrane über Pharoah Sanders bis Cecil Taylor immer ausgezeichnet hat. Lake besticht mit seinem scharfen Klang auf Alt- und Sopranino-Saxophon, Workman lässt den Raum beben mit seinem sonoren BassSound und Cyrille ist mehr als ein Schlagzeuger und Perkussionist, ein Zauberer mit Rhythmen und Farben. Diese CD lohnt ein Antesten auch für Leute, die glauben, keinen Free Jazz zu mögen.
Hans-Bernd Kittlaus, Jazzpodium, Stuttgart, Juli/August 2006

 

 

 

La spécificité majeure du Trio 3 vient du fait que chacun de ses membres représente à lui seul un pan entier de l’histoire du jazz exigeant. Sidemen de Monk, Coltrane, Cecil Taylor ou Roland Kirk, et musiciens au premier plan du Loft Movement new-yorkais, Oliver Lake, Reggie Workman et Andrew Cyrille poursuivent leurs expériences, avec le même panache qu’hier.
Après une plage déstructurée sur laquelle s’harmonisent déjà les interventions indépendantes (A Chase), le trio prend des libertés sur quelques figures établies : swing dissonant transformé en marche sur les conseils de la contrebasse de Workman (Medea), post bop débonnaire (Given), ou free déclaré sur Special People, dont le thème rendu à l’unisson mais voué bientôt au lynchage rappelle Albert Ayler.
A chaque fois, les partenaires rivalisent d’habileté : facilité du grand solo de Workman sur Playing For Keeps ; ardeur sublime ou roulements élaborés de la batterie de Cyrille sur Time Being et Tight Rope ; aisance quiète de Lake à dérouler aux saxophones des phrases instables et pourtant décisives (Lope, Time Was). Rassemblés, les voilà excellant sur un Equilateral improvisé, ou sur l’impression trouble et intense qu’est Tight Rope.
En 10 morceaux, Time Being assure ainsi de l’inaltérable qualité de musiciens déjà accomplis il y a une quarantaine d’années. Renouvelle l’engagement, en quelque sorte. Sans refuser, de temps à autre, d’aller creuser encore plus profond.
Chroniqué par Grisli, Infratunes, France, June 2006

 

 

 

Wiederholung war gestern, Trios sind immer. Was diese drei älteren Jazzlegenden hier zu sagen haben, sprengt alle Rahmen und Erzählungen dieser Musikwelt. Scharf akzentuiert auf dem Punkt bei gleichzeitiger Suche, das können wirklich nur wenige. Workmans atmender, manchmal keuchender Bass scheint dich gleich um eine Kippe zu fragen, Lakes Sax gießt die Drinks dazu ein, und Workmans drums streicheln asymmetrisch deine Hinterbacken. Was ist das nur, diese Kippfigur aus Wildheit und Distinguiertheit? Soviel Klarheit, Weisheit und Würde in Sachen Post-Bop-Eklektizismus war selten.
MADE MY DAY by HONKER, Terz, Deutschland, 7-8/06

 

 

Lange nichts mehr gehört von diesen drei. Ergraute Fahrensmänner der Avantgarde - Bassist Reggie Workman hat einst noch mit John Coltrane gespielt -, werfen Trio 3 in dieser ihrer dritten Produktion alle ihre Erfahrungen in die Waagschale. Minutenlang lässt Andrew Cyrille in "Tight Rope" die Toms rollen. Vor diesem dunklen Hintergrund bahnen Bass und Saxofon sich ihren Weg, bevor die drei kurz vor Schluss in einem gemeinsamen Rhythmus ihre gemeinsame Sprache finden. "Equilateral" jongliert mit den verschiedensten Rhythmen, vor denen Oliver Lake spröde, rau, aber auch angriffslustig sein Saxofon in purer Schönheit darnieder sinken lässt. Da streckt Cyrille die Waffen und schweigt, bevor Reggie Workmans quirlige Bassfiguren ihn langsam wieder ins Spiel bringen. Es bedarf einer Menge Autorität, um diese freien Klänge nachvollziehbar und logisch erscheinen zu lassen, doch Lake, Workman und Cyrille bringen genug gegenseitigen Respekt auf, um sich nicht in puren Free-Jazz-Manierismen zu erschöpfen.
Das Highlight der Platte ist die neunminütige gemeinsame Schöpfung "Time Was". Blitzschnell schaltet Oliver Lake hier um: vom rauschhaften Ritt durch die Skalen über äußerst griffige Schreie am äußersten Ende des Tonspektrums bis zum sensiblen Hauchen. Andrew Cyrille verwandelt sein Set in ein schwankendes Schiff, das er schließlich in einen exotischen Hafen einlaufen lässt. Reggie Workman entwickelt sein Solo aus dem gemeinsamen Spiel und lässt den Hörer vergessen, dass es"nur" ein Kontrabass ist, der diese sanftmütigen Tonschlaufen produziert. Time Being ist ein Ausflug unter fremder Führung aber dieser Reiseleitung kann man sich getrost anvertrauen.
Roff Thomas, Jazzthetik, Juli/August 2006

 

 


The respective musicians who comprise this band have been the recipients of world-wide praise for several decades. Therefore, the artists’ repute cannot be undermined. Leave it to the pros so to speak, as this studio set communicates that notion in flying colors.
The trio morphs fractured, stop/start motifs with staggered pulses and soaring crescendos. Everyone is a distinct soloist here, but it’s unadulterated group-based effort, indeed. With Oliver Lake’s gutsy, fluid and dynamically oriented choruses, the rhythm section pursues changeable patterns. Moreover, the trio’s torrid deconstruction processes, underscored by medium-tempo free-bop vamps and rapid-fire ostinatos add to the multidimensional aspects of its chemistry. On “”Equilateral,” bassist Reggie Workman’s arco passages provide an austere contrast to Lake’s vocal-like sax phrasings, as the band subsequently hauls matters into overdrive. Then with the piece titled “Special People,” Lake and Workman engage in flowing harmonic contrasts, while drummer Andrew Cyrille mimics his band-mates’ lines with a push/pull mode of attack. In sum, this is a superfine effort, highlighting the artists’s rather industrious methodology, firmed up by their extraordinarily intuitive improvisational maneuvers.
Glenn Astarita, eJazzNew, USA, July 2006

 

 

TRIO 3 präsentiert ganz große transafrikanische Musikerfahrung. Mit Time Being (Intakt CD 106) setzen, wie schon mit Open Ideas (2002), Encounter (2001) und Live in Willisau (1996), der World-Saxophone-Quartet‘ler Oliver Lake (*1942) an Alto- & Sopranino, der Kontrabassist Reggie Workman (*1937) mit seiner Spannweite von Coltrane bis Gary Bartz und der langjährige Cecil-Taylor-Drummer Andrew Cyrille (*1939), der zuletzt im Duo mit Braxton auf Intakt von sich reden machte, Duftmarken von alten Löwen. Das Trio 3 geht zurück auf das Workman Ensemble von Synthesis (1986) mit Lake und Cyrille, aus dem, parallel zum Trio Transition, dieser Dreier der Altmeister hervor ging. Neben Workmans «Medea», zwei Kompositionen von Lake und drei von Cyrille erklingen gemeinsame Ad-hoc-Erfindungen, wobei mir die Unterschiede gar nicht so wesentlich vorkommen. Improvisation ist hier ein Seiltanz ohne Netz, rhythmisch ungebunden und polyzentrisch zwar, aber immer melodiös, 4/5 Free Jazz, 1/5 Plinkplonk. Die Kompositionen zeigen ein ähnliches Mischungsverhältnis, nur mit markanteren Themen oder verabredetem Groove. Es braucht dazu nicht mehr als Cyrilles Rezept: «Special People» + «Tight Rope». Für alles weitere sorgen eine Allergie gegen Klischees und die spielerisch offene Ergebnisorientiertheit. Polyzentrisch heißt, dass hier kein Saxophondreier, sondern ein Trio am Werk ist. Nur weil unsere Ohren auf Leadsänger und entsprechend sangliche Instrumentalfrontmen geeicht sind, überhören wir die ebenso spektakulären Bass- und Drum-Eskapaden ‚hinter‘ Lakes virtuosen Kapriolen. Cyrilles «Given (The Whirlwind)» mit seinen langen Schlagzeug-Bass-Passagen hilft, sich in die spezifische Melodiösität und Groovyness einer «Rhythmsection» hinein zu pirschen, in der fast 100 Jahre Lust auf Abenteuer mitschwingen. Wobei der Reiz gerade darin besteht, dass die alten Lorbeeren vor der aktuellen Reelin‘ ‘n‘ Rockin‘-Vitalität der drei Senioren verblassen. Wie souverän sie ihre Kunst beherrschen, Vertrautes taufrisch erscheinen zu lassen, zeigt gleich zu Beginn schon «A Chase». Nur schnelle, aber kopflose Hasen bleiben dabei auf der Strecke. Die drei erfahrenen Langohren hier wackeln «for the time being» nur lässig mit denselben.

Rigobert Dittmann, Bad Alchemy, Deutschland,Sommer 2006

 



Three vastly experienced heroes of American free-jazz recorded in New York last year. Oliver Lake is a founding member of the celebrated World Saxophone Quartet, bassist Reggie Workman a former John Coltrane partner, and Andrew Cyrille one of the few drummers able to sustain a long-term relationship with piano hurricane Cecil Taylor. It's an open, African-American free-jazz album, using a refined shared language for such activities that dates back to the 1960s. But if Lake's alto and sopranino saxes are hurtling into deep space, and Workman and Cyrille maintain a flexible pulse by the most convoluted means, the music is none the less full of engaging vamps, hooks and anthem-like melodies, and is recorded with such clarity that the most fleeting detail gains weight.
There's an unexpected playfulness to Lope, a folk-dance urgency turning into stop-time improv and then fast blowing against Workman's dark strummings on Given, and dazzling contrapuntal improv from all three on Special People.
John Fordham, The Guardian, Freiday, 16 June 2006

 

 


These three men have been working together for some time, and the more time passes, the more obvious it becomes that they should go on doing so. If some list of arbitrary criteria that makes for stimulating improvised music were to be written up, these three would score highly. They display individual expression in abundance within a group context, for example, while it seems to be the case that these men bring their wealth of musical experience to bear on whatever they do out of the force of habit.
Oliver Lake has inherited Eric Dolphy’s mercurial phrasing, particularly on the alto sax, and his rate of musical development is such that he has long since subsumed it within his own instrumental personality. Andrew Cyrille has a knack for evoking both space and density in his drumming, and Reggie Workman is as alert to the needs of the music as he has ever been. As such, to hear them grooving on the out-of-kilter likes of Lake’s “Lope” is to hear in less than five minutes both the earthiness and the grandeur to which this music can aspire.
Andrew Cyrille has for years been proving himself a rare entity: a drummer who is also a composer of distinction; and on “Tight Rope” there is further evidence of this, particularly when the other players are so alert both to the nuances of his lines and the individuality of his work behind the kit. The key element of give and take that's a cornerstone of this music is here in abundance, too.
All three men are also highly appreciative of instrumental colour and how to deploy it, and they prove as much on the group composition “Equilateral,” where their conceptions of space and how to use it are much in evidence.
In the midst of all the derivative stuff, thankfully there is still potent music like this, and as a model of individual and group expression it offers nothing less than a working definition.
Nic Jones, All About Jazz, USA, 2006

 

Nate Dorward, Signal to Noise, USA/Canada, Fall 2006

 

 

 

Qu'est-ce qui peut encore faire courir (enregistrer) le Trio 3 ? Que peuvent-ils encore nous confier que l'on ne sache déjà ?
Après tant de tempêtes, de forteresses assiégées, de batailles gagnées ou perdues dans la douleur, Andrew Cyrille, Oliver Lake et Reggie Workman ne seraiei-it-ils plus que ces trois vétérans dont on viendrait voler quelques détails - certes précieux mais dont la beauté convulsive de naguere ne serait qu'un lointain souvenir; un petit peu comme ces toreros retirés et qui ne se produisent plus que dans des festivals, face à des adversaires aux forces réduites ?
Alors, expédition des affaires courantes ou sang vif ? On évitera de répondre pour se concentrer sur les espaces qu'a su si bien explorer le trio. Comme si après tant d'efforts physiques, de déconstructions successives, une forme s'était trouvée. Forte et persistante. Une forme idéale où chacun pourrait visiter l'espace de l'autre saris jamais le réduire. Une forme qui n'aurait que faire des brusqueries et des inquiétudes.
Comme une musique soudainement si sereine et si accomplie et qui résisterait à tout
commentaire. Encore une chronique pour rien!
Luc Bouquet, Improjazz, France, Novembre, Dezembre 2006

 

 

 

 

OLIVER LAKE QUARTET
Live
[Passin' Thru, www.passinthru.org]
TRIO 3
Time Being
[Intakt Records, www.intaktrec.ch]
Saxophonist Oliver Lake is a figure on whom I've shored much praise over the years. Whether in a live scenario or in a studio, his strength as a leader and composer shines through each and every time. Recorded back in 2001 at the Knitting Factory, "Live" sees Lake shake things up with Native American vocalist and flautist Mary Redhouse. I'm not sure if Lake's initial idea was to mix jazz and native elements or whether he intended the two to sit comfortably side by side. The result is nonetheless quite awe-inspiring. As he dishes out jazz numbers that impersonate Native American ceremonies and those that are true Native American pieces without jazz elements, you realize early on, he's quite serious about the task at hand. The winner here is "Montana Grass Song", which is a real powwow, traditional Navajo song. As Redhouse improvises with her delicately soaring vocals, Lake plays some stunning solos as in a form of embrace. Another stunning number is Lake / Redhouse duet "Levels". As Redhouse gives out owl-like sounds from deep inside her throat, Lake stuns with some warm improvised passages. Throughout, Lake is his usual self - playing it rough and bursting out in guttural soprano shouts, and then playing nice rhythms when those are most appropriate. Drummer Gene Lake has some nice polyrhythmic moments, but sadly bassist Santi Debriano is barely felt [due to the cavernous mix]. Though this may not be a great live record, it's still quite a solid Oliver Lake recording.
When I first witnessed a concert by Trio 3 back in the mid 90's at FIMAV, I thought this was going to be a one-off occasion. Getting saxophonist Oliver Lake, bassist Reggie Workman and percussionist Andrew Cyrille together on one stage seemed like the perfect coup. Their sound was full, while at the same time it felt relaxed. It felt improvised, while most pieces were actually composed. Ten years on and a few albums later, Trio 3 return with another winner. Just like a decade ago, most piece sound improvised, though in fact they're credited to one or all three of the players. Lake has more fervour now than ever before. Both alto and soprano wails he draws out are fiery and persistently bouncy. He doesn't simply go for the jugular, but maintains a steady pacing of colourful playing. Led by Cyrille's light, feathery touch and supplemented by Workman's deep arco and string slapping bass playing, the rhythm section is killer as always. Cyrille doesn't just keep time, he transcends it. The cymbal waifs and the smashing hi-hat meditations leave one in a state of awe. His percussive precision and looseness are now even more evident and more mature than ever before. Solid showing from all three players. Though World Saxophone Quartet's glory days may long be gone, Oliver Lake continues to shine on.
Tom Sekowski, Gaz-Eta, Poland, Nov. 2006

 

Klaus Nüchtern, Falter, Österreich, Nr. 31 / 2006

 

Chris Searle, Morning Star, Great Britain, May 18, 2010

 


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