






363: IRÈNE SCHWEIZER – HAMID DRAKE. Celebration
Intakt Recording #363 / 2021
Irène Schweizer: Piano
Hamid Drake: Drums
Recorded live on June 26, 2019 at Konfrontationen Nickelsdorf, 40th Festival for Free and Improvised Music, Jazzgallery Nickelsdorf, Austria. Recorded by ORF (Radio Österreich 1).
More Info
Piano-Drums Duos are the preferred playing arrangement of pianist Irène Schweizer. Her mastery of duets with important drummers of contemporary jazz are documented on numerous Intakt CDs. Han Bennink, Pierre Favre, Louis Moholo, Günter Baby Sommer, Andrew Cyrille and Joey Baron among them. The Chicago drummer Hamid Drake, born in 1955, and Irène Schweizer, born in 1941, have performed together on numerous occasions both in Europe and Chicago. Together they have appeared on the Intakt CD "Irène Schweizer-Fred Anderson- Hamid Drake". At the 40th anniversary festival "Kontrontationen in Nickelsdorf" (Austria), Schweizer and Drake were the highlight of the event. A celebration of the moment and a declaration of love to South African songs along with their thrilling energy and rhythmic lightness produced a firework of improvisation. A parade of successful interplay. The CD Celebration is released on the occasion of Irène Schweizer's 80th birthday (2. Juni), accompanied by a catalogue of the pianist's works on Intakt Records.
Album Credits
Cover art: Rosina Kuhn
Graphic design: Jonas Schoder
Liner notes: Christian Broecking
Photos: Dawid Laskowski
Compositions by Irène Schweizer except “A Former Dialog” by Schweizer/
Drake. Recorded June 26, 2019 at Konfrontationen Nickelsdorf, 40th
Festival for Free and Improvised Music, Jazzgallery Nickelsdorf, Austria.
Recorded by ORF (Radio Österreich 1). Soundengineer: Gerhard Wald. Recording manager: Jens Jamin. Recording producer: Klaudia Zeininger.
Festival organised by Hans Falb and team. Mastered by Michael Brändli at Hardstudios Winterthur, 2020. Produced and published by Intakt Records.
Voyeuristisch begabt sind wir wahrscheinlich alle. Die Tendenz zum Zuschauen, heimlich oder offen, verstärkten die letzten Monate mit Stream und Daseins-Statik eher noch. Das ist mit, aber nicht der wesentliche Grund, warum wir das Foto auf dieser Seite groß drucken. Es ist schön und mehrdeutig. Und zeigt den Pianisten Cecil Taylor, wie er sich 1975 Irène Schweizer, der wir ein Cover sowie eine große Geschichte widmen, beim ersten Festival in Willisau unbeobachtet - abgesehen vom Voyeur hinter ihm - beguckt (und den John Tchicai neben ihr); ihrem Spiel vermutlich auch zuhört. Taylor, es ist nicht verkehrt, dies zu wissen, wirkte auf Schweizer stark ein - und man darf sich, schauen Sie genauer hin, fragen: Ging das eventuell auch vice versa? Wir leisten uns ein zweites Cover, weil: Die Musik des Stephan Micus ist eigen genug, um sie eigens herauszustellen. Seit Jahrzehnten macht er die und wird wahrgenom-men, aber zu wenig, scheint uns. Die Visite bei ihm auf Mallorca machte Micus klarer, zeigte ihn im Spannungsfeld, allerdings ohne ihn und seine Musik - Vorhang beiseite und: erkannt & fest fixiert - ganz freizulegen. Das darf sein. Warum auf Vollständigkeit pochen, die nicht zu haben ist; man täuscht doch nur vor. Nein. Ein Porträt ist stets ungelenke Skizze, jedweden Menschen packt man nie komplett ein, schon gar nicht mit Worten. Selbst wenn man sich drei Nachmittage/ Abende und toll bewirtet - vielen Dank, liebe Adela - beobachtet und intensiv über dies und das, auch jenseits der Musik, redet - to catch a ghost fast: der Mensch bleibt letztlich unfixierbar, bleibt spannende Vorläufigkeit, bleibt Bruchwerk. Erhellende Freude wünscht Adam Olschewski
Als junge Frau sprengte diese auch politisch engagierte Pianistin alle Fesseln; ihr späteres Werk verbindet vorbildlich Freiheit mit Form; erst vor kurzen ist sie Achtzig geworden: IRÈNE SCHWEIZER. Eine Würdigung.
FEIERLICHKEIT LIEGT IHR eigentlich nicht, und wenn sie gar selbst gefeiert werden soll, wirkt sie befangen und blickt so verlegen herum, als wollte sie fragen: »Wo ist hier der Notausgang?«. Am Ende aber hat sie sich doch gefreut, am 4. Juni, zwei Tage nach ihrem achtzigsten Geburtstag, im Kulturhaus Helferei, das zum Zürcher Grossmüns-ter gehört und einst der Wohnsitz des Reformators Ulrich Zwingli war. Patrik Landolt, der Gründer und langjährige Leiter des Labels Intakt, dazu ein langjähriger enger Freund von Irène Schweizer, hatte den Anlass organisiert und führte durch den Abend, der Jazzpublizist Bert Noglik hielt die Laudatio. Stadtpräsidentin Corine Mauch und Regierungsratspräsidentin Jaqueline Fehr, beide gestandene So-zialdemokratinnen, ließen es sich nicht nehmen, der Musikerin, die nicht nur für den Free Tazz, sondern auch für die Schweizer Frauen- und Lesbenbewegung von eminenter Bedeutung war, die Reverenz zu erweisen. Ihren Reden war anzumerken, dass es hier um mehr ging als um amtliche Pflichterfüllung. Musikalische Beiträge der Saxophonistin Co Streiff und der Sängerin La Lupa sowie eine hinreißende, zum Akkordeon vorgetragene Hommage der Free Jazz-Legende Rüdiger Carl, der schon von 1973 an viel mit Irène Schweizer zusammengearbeitet hatte, machten die intime Feier auch zu einem musikalischen Ereignis. Freunde aus aller Welt waren angereist, und es wären noch sehr viele mehr gekom-men, wenn die Corona-Bedingungen es erlaubt hätten. Dass Irène Schweizer eine der bedeutenden Figuren im Jazz der letzten fünfzig Jahre ist, eine Persönlichkeit, deren Namen man stets mit einer gewissen Ehrfurcht nennt, würde man nicht denken, wenn man sie besucht. Wenn ich sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten um ein Gespräch bat, erwiderte sie stets, am einfachsten träfen wir uns doch bei ihr zu Hause, und dann kam mir jeweils Bertolt Brechts Kurztext »Zwei Städte« in den Sinn, eine seiner Geschichten um Herrn Keuner, den listigen Niemand: Herr K. zog die Stadt B der Stadt A vor. ›In der Stadt A‹, sagte er, liebt man mich; aber in der Stadt B war man zu mir freundlich. In der Stadt A machte man sich mir nützlich, aber in der Stadt B
brauchte man mich. In der Stadt A bat man mich an den Tisch, aber in der Stadt B bat man mich in die Küche.«« Irène Schweizer bittet ihre Besucher in die Küche, und man sitzt in der stets penibel aufgeräumten Wohnung im Zürcher Stadtkreis 4 einem Menschen gegenüber, der lieber gebraucht als verehrt wird. Einer Person, die am liebsten mit dem Fahrrad zum Einkaufen fährt und der in dem dezent renovierten Altbau die ausgetretene Treppe zum obersten Stockwerk immer noch vertrauter ist als der später eingebaute Lift. Sie genießt den Blick auf Innenhöfe, auf das sprießende Grün, auf das Lochergut, eine in den 1960er-Jahren erbaute Hochhaus-Wohnsiedlung im Besitz der Stadt, aber auch auf den nahen Üetliberg. Hier lässt es sich leben! Zum Glück gehört das Haus keinem »Speki«, wie Irène Schweizer die Immobilienspekulanten nennt, sondern einem mieterfreundlichen Menschen. Deshalb kann sie hier seit langem wohnen. Im Wohnzimmer st...
Commençons par l'aînée, Irène Schweizer, dont Patrik Landoltt célèbre les 80 ans avec un joli catalogue présentant ses trente-trois disques réalisés pour Intakt sous son nom ou au sein de groupes, depuis le LP 001 qui marqua la création de la marque en 1986. Parallèlement est publié un nouveau CD en duo avec le grand batteur afro-américain Hamid Drake. Percussionniste elle- CELEBRATION même - ce qui a profondément marqué sa pratique pianistique - Irène Schweizer a dialogué durant toute sa carrière avec de nombreux batteurs de renom ; pour rester chez Intakt, elle a enregistré depuis 1986 avec Louis Moholo, Günter Sommer, Andrew Cyrille, Pierre Favre à trois reprises (son plus ancien partenaire), Han Bennink à deux reprises, et Joe Baron.
Ce n'était pas la première fois qu'elle rencontrait Hamid Drake lorsque ils se sont trouvés, en juillet 2019, sur la scène du 40e festival de Free & Improvised Music de Nickelsdorf en Autriche. Après une improvisation commune, la pianiste a proposé huit compositions "ouvertes" dans lesquelles le batteur s'est coulé merveilleusement. S'ensuivirent un véritable échange où chacun, spontanément, laisse de l'espace à son partenaire. « J'ai toujours ressenti une affinité avec les musiciens noirs » affirme la pianiste qui dans les années 60, rencontra les Sud-Africains Dollar Brand puis les Blue Notes de Chris McGregor (seul Blanc !) qui, émigrés en Suisse, la marquèrent profondément. Deux titres illustrent ici cette imprégnation : Blues for Creilier et Song for Johnny - In memory of Johnny Dyani. Elle aime également, sa grande culture musicale aidant, intégrer des figures de jazz "classique" dans ses improvisations. Les applaudissements enthousiastes et généreux ont, non seulement remercié les deux musiciens pour ce concert, mais également salué l'une des personnes majeures de l'histoire du jazz, et pas seulement européen. « Celebration » (CD 363). OUI ! (Un livre vient de paraître également: This Uncontainable Feeling of Freedom, Irène Schweizer - European Jazz and the Politics of Improvisation, par Christian Broecking).
Wie Ärger in positive Energie umschlagen kann: Das zeigt dieses Konzert vom 26. Juli 2019. Irène Schweizer, die Grande Dame des Free Jazz, und der afroamerikanische Schlagzeuger Hamid Drake hatten sich darauf gefreut, anlässlich der 40. Ausgabe des Festivals «Konfrontationen» im österreichischen Nickelsdorf wieder einmal miteinander zu spielen. Dann aber wurde es Mitternacht, bis sie endlich drankamen. Entsprechend hoch war die Nervosität. Man spürt sie förmlich in der einleitenden Improvisation. Doch die Musik gewinnt rasch Atem und Farbe, die Ideen springen hin und her und münden in herrliche, südafrikanisch inspirierte Klänge.
Irène Schweizer – Celebration
Celebration is the latest piano-drums duo album by Irène Schweizer and Hamid Drake. Celebration was released on April 16, 2021. The album was recorded live in Nickelsdorf, Austria (at the 40th Festival for Free and Improvised Music).
Irène Schweizer previously released 17 duo albums, of which 10 were with a drummer/percussionist. These included one record with Louis Moholo (1987), one with Günter Sommer (1988), one with Andrew Cyrille (1989), one with Mani Neumeier (1997), one with Joey Baron (2017), two with Han Bennink (1996 and 2015), and three with Pierre Favre (1992, 2004, and 2013).
Irène Schweizer mentioned in 1990, “I love drummers, and I love working with them.” She is a keen amateur drummer herself. So, of course, a new album with a new drummer seems to be the perfect way to celebrate her music, passion, love for drummers, and partnership with Intakt Records. It certainly celebrates quite a lot at once—not to mention her upcoming 80th birthday!
Hamid Drake, Andrew Cyrille, and Joey Baron were all born in the United States. Hamid Drake has collaborated with Don Cherry, Herbie Hancock, Pharoah Sanders, Fred Anderson, Archie Shepp, and William Parker, and he is widely regarded as one of the best percussionists in jazz and improvised music (Wikipedia).
This album is such a success. It might seem obvious, but it is worth mentioning. Once more, the duet format works so very well, and the two of them manage to find both cohesion and freedom together.
Even though Celebration lasts for less than 44 minutes, its music wanders down so many paths, rhythms, experiences, and styles that it feels a lot longer. It is dense, exciting, sometimes joyful, and always extremely captivating, and some parts are just beautiful, as deep and extraordinary as the word “beautiful” can be. In conclusion, Celebration will make you wish you were there the night it was recorded.
Adding to her series of imposing percussion-keyboard arrangements is Swiss pianist A rine Schwezer's Colebration, a precursor to her recent 80th birthday. A live concert from when she was a mere 78, the nine tracks confirm flexible interplay alongside American drummer Hamid Drake, 14 years her junior. Energetic and inventive throughout, Schweizer's dexterity in these situations may be because she plays drums herself and intimately knows the kit's capabilities. For his part Drake, whose list of collaborators is as long as the pianist's, makes the session a partnership not a contest, projecting ruffs, press rolls, thumps and pops with a maximum of finesse. Schweizer's dexterity and sonic range is thus given full play. She emphasizes a walking bass and resonating stresses in a way that would give Ray Bryant pause on "Blues for Crelier"; adds a touch of kwela and hi-life to the unfolding rhythm as a joyous salute to South African musician friends on "Song for Johnny, as Drake's smacks propel the undulating theme. Making full use of the instrument's inner piano harp and outside wood, she strums and plucks strings on "Stringfever" while powerfully smacking its side. And she even injects a touch of pseudo ragtime tickles into the conclusion of "A Former Dialogue", which mostly consists of modern tempo and pitch changes with unexpected octave jumps. Seconded by Drake's prudent time-keeping and rolling patterns an exuberant swing emphasis burrows into all of the tracks sometimes emphasizing a groove that calls for finger-snapping. The kinetic track that defines Schweizer's mature improvising however is "Nickelsdorf Glow". Presto and profound she moves the narrative from airy tinkles to pedal lowing with detours and returns to outlining multiple patterns - all in less than three minutes. Another souvenir for her piano-drum collection, the disc confirms the pianist's continued inventiveness and relevance.
Ombre infrante nelle imperfette misure della luce: quattro dischi Intakt Registrato dal vivo durante la quarantesima edizione del Konfrontationen alla Jazzgallery di Nickelsdorf, in Austria, Celebration, come da titolo, esce per gli 80 anni della mitica pianista, protagonista di tanti duetti con batteristi (tra questi ricordiamo Han Bennink, Louis Moholo, Joey Baron). Il disco è accompagnato dalla pubblicazione del catalogo dell'opus magnum della Schweizer per l'etichetta di Zurigo e del libro di Christian Broecking "This Uncontainabile Feeling Of Fredom. Irène Schweizer - European Jazz And Politics Of Improvisation". Nove tracce tra improvvisazione e composizione (chiude una" Song For Johnny" dedicata a Dyani, il bassista dei Blue Notes, la band sudafricana con Chris McGregor, Louis Moholo, Dudu Pukwana e Nikele Moyake), che probabilmente dal vivo avrebbero catturato maggiormente l'attenzione. La maestria dei musicisti coinvolti è fuori discussione, fa però capolino in qualche frangente il già sentito. Il mood black della Schweizer emerge a più riprese ("Blues For Crelier", la citata "Song For Johnny"), il groove funziona a meraviglia (Hamid Drake è una macchina, su questo non ci piove), ma a volte la straordinaria abilità dei musicisti (di Drake in particolare, che secondo me si fa prendere un poco la mano) si prende tutta la scena, lasciando in bocca il sapore di una grande esibizione che però lascia poco dopo essere stata ammirata.
Probabilmente, se fossimo stati presenti al concerto, avremmo apprezzato di più: su disco il documento per noi non suona memorabile. E comunque, sia chiaro, lunga vita a Irène Schweitzer, che il dio del jazz ce la conservi sempre con questa verve!
Es gibt etwas zu feiern. Hamid Drake und Irène Schweizer haben schon zahlreiche Aultritte miteinander dies- und jenseits des Atlantik, im Düo und in größeren Besetzungen, hinter sich. Im Sommer 2019 sind sie bei der 40. Ausgabe der Nickelsdorf Konfrontationen für ein Duo-Konzert wieder zusammengetroffen. Aber das muss nicht gefeiert werden. Die Begegnung war selbst das Fest, dokumentiert auf dem Album Celebration. Dass Irene Schweizer, Pianistin und Protagonistin des europäischen Free Jazz, am 2. Juni 80 Jahre alt geworden ist, war ein Grund mehr für den Titel des neuen Albums. • Von Hans-Jürgen Linke Gäbe es ein Werkverzeichnis, ordentlich nach Gattungen sortiert, dann wäre die Liste der Duo-Aufnahmen mit Schlagzeugern im Werk Irène Schweizers ziemlich umfang-reich, vielleicht gerade noch übertroffen von der Zahl ihrer Solo-Einspielungen. Duo-Begegnungen zwischen Klavier und Schlagzeug, die im traditionelleren Jazz gleichermaßen zur Rhythm Section gehö-ren, sind nicht unbedingt leicht zu gestalten - besonders seit der freie Jazz die Rollen-und Parameter-Zuweisungen aufgelöst hat. Wenn Klavier und Schlagzeug aufeinander-treffen, geht es schnell ums Ganze - und manchmal auch um etwas Kompliziertes. Christian Broecking zitiert in den Liner Notes zum Album Hamid Drake, der über seine Duo-Arbeit mit Irène Schweizer sagt „Wenn man kein Gefühl für die eigene Stimme und kein Selbstvertrauen hat, kann sie dominant und mächtig wie ein Schnellzug sein und einen einfach überfahren. Wenn man aber Selbstvertrauen und auch ein Gefühl für die eigene Stimme hat, dann kann man mit ihr wunderbar zusammenarbeiten." Irène Schweizer hat ihre Musikerin-nen-Laufbahn als Schlagzeugerin begonnen und steht seit je im Ruf, eine stark perkussiv orientierte Pianistin zu sein. Das wird zwar ihrem riesigen Ausdrucksvermögen nicht annähernd gerecht, liefert aber zumindest einen Anhaltspunkt dafür, warum und wie sie mit Schlagzeugern zusammenarbeitet. Ihre Schlagzeug spielenden Duo-Partner - außer Hamid Drake waren das Pierre Favre, Han Bennink, Günter Sommer, Andrew Cyrille und Louis Moholo - gehörten zu den profiliertesten Vertretern ihres Instrumentariums im zeitgenössischen Jazz. Jeder von ihnen hat das, was Hamid Drake die „eigene Stimme" nennt. Entsprechend hatte jede dieser Begegnungen einen absolut einzigartigen Charakter und Verlauf. Wenn Celebration ein Jubiläums-Album ist, dann geht es wenigstens nicht in die Falle eines Innehaltens und Rückbesin-nens zum runden Geburtstag - zumal dieser Geburtstag zum Zeitpunkt der Aufnahme noch in einiger Ferne lag. Nur der Titel des ersten Stücks scheint sich zurückwenden zu wollen: „A Former Dialogue" - ein vormaliger Dialog. Aber Nostalgie? Innerhalb weniger Sekunden stellt Irène Schweizer am Klavier einen Tonraum her mit oben und unten, vorn und hinten, es gibt feine, angespannte Verbindungslinien, einen kurzen Schwebezustand, schon gesellt sich links und rechts und dazwischen Hamid Drake am Schlagzeug hinzu. In einer überfallartig hereinplatzenden Ouvertüre zeichnen die beiden skizzenhaft eine Silhouette von allem, was zu sagen wäre. Das Fest hat begonnen. Alles Weitere erscheint leicht, nahe beieinander, konsequent. Und dabei höchst differenziert und raffiniert, überraschend und voller Energie. Der Funke springt aufs Publikum über. Verleger Patrik Landolt erinnert sich, dass er noch nie zuvor bei einer Live-Aufnahme in der Post Production den Applaus in Länge und Lautstärke so massiv habe reduzieren müssen wie bei Celebration. Das Album enthält neun Stücke. Acht davon sind Kompositionen von Irène Schwei-zer, nur das Einleitungsstück ist als gemeinsame Komposition bezeichnet. Mit jedem Stück beginnt etwas Neues. Es ist ein Fest in neun Abschnitten. Sie bilden zusammen eine Art un-klassische Suite unvorhersehbarer Tanze und zugleich eine durchbrochene Horizontlinie für das, was Aufnahme in Irène Schweizers musikalischen Mikrokosmos gefunden hat. Ein geschlossener Kreis entsteht nicht. Das Titelstück ist an die vorletzte Stelle gesetzt und strahlt eine kristalline Feierlichkeit aus, die nebenher mit Versatzstücken der Jazz-Geschichte spielt. Aber das tut Irene Schweizer ja fast immer. Es gibt treibende Losgeh-Passagen im Zusam-menspiel, es gibt harmonisch eigensinnige, fragil-kristalline Abschnitte. Sensible Reibereien und feinsinniges Inside-Spiel ohne Tastenbenutzung. Es gibt einen Blues, eine überschwänglich glühende Höhenflug-Hom-mage an den Spielort Nickelsdorf, und es gibt eine aus der Ferne kunstvoll sentimental eingefärbte Erinnerung an südafrikanische Kwela-Musik, die dem 1986 verstorbenen Bassisten Johnny Dyani gewidmet ist. Keines dieser Stücke aber ist mit einen kurzen Satz schon treffend gekennzeichnet. Nie ist es nur ein Ton- oder Klangvorrat, eine Stimmung, eine Richtung, mit der sich das Duo befasst. Das Zusammenspiel bildet immer einen komplexen Verlauf. Nicht idiomatische Beharrlichkeit herrscht hier, sondern Impulse des Reflektierens, Kommentierens, Dreinredens, Sich-A...
Die Schweizer Pianistin Irène Schweizer blickt auf eine lange Reihe von mitgeschnittenen Duetten mit Schlagzeugern zurück.
Sie reichen bis ins Jahr 1987. Louis Moholo.
Andrew Cyrille. Günter »Baby« Sommer.
Pierre Favre. Han Bennink. Mani Neumeier.
(Zur Erinnerung: Cecil Taylor, ein wichtiger Schweizer-Einfluss, dokumentierte seine Piano-Drum-Duos ab 1988.) Nun also Hamid Drake, nicht lediglich der überragende Schlagwerker seiner Generation, sondern der Gegenwart. Die CD wurde aufgenommen beim letzten Schweizer-Live-Auftritt, 2019 am Festival in Nickelsdorf, der kürzlich verstorbene Schweizer-Biograf Christian Broecking kommentiert die Begegnung im Booklet. Es ist ein sich allenfalls auf grobe Melodieideen stützendes, offenbar vorwiegend spontan entworfenes Duett wie Duell, ein Trommel-Duell von gleich zwei Seiten mitunter. Tastenbefeuerung von akkuratem Anschlag und großer Involviertheit versus beinahe erschreckend variantenreiche und detailierte Becken-Fell-Akzente von immer natürlicher, afrikanisch inspirierter Brillanz. Doch nicht nur Duell: Da ist ebenso viel Platz auch für ruhigere Momen-te, für Stride-Verweise und Anflüge von Humor, für Spielerisches - und für Dollar Brand, einen zweiten Schweizer-Einfluss.
Schweizer ist vermutlich die intellektuellste und gleichzeitig zupackendste Pianistin überhaupt, eine Traumkonstellation das.
Drake der pointierteste und swingendste Trommler weit und breit, so dass man über längere Strecken gemeinsam einen kompakten Groove entspinnt. Eine Dreiviertelstunde von vibrierender und lang nachwirkender Spannungsdichte, von zwei Giganten ihres Fachs hergestellt.
Per tanto tempo nel periodo iniziale della free music europea è stata la più austera. Ammirevole, non c'è dubbio. Intransigente, proverbiale per il suo accanimento nel fare musica totalmente atonale e non cordiale. Non la si riconoscerebbe se si pensasse a quella Irène Schweizer ascoltando Celebration (Intakt), registrato dalla pianista svizzera in duo col percussionista Hamid Drake al festival di Nickelsdorf del 2019. Tutto un gioco di tempeste free e romantiche (fantasmi di Liszt) senza freni, con meno seriosità possibile. Cosa c'è che non va nell'album live Untucked in Hannover (Intakt) del quintetto Tom Rainey Obbligato col leader Tom Rainey alla batteria, Ralph Alessi alla tromba, Ingrid Laubrock al sax, Jacob Sacks al piano e Drew Gress al basso? Niente. Tutto ben fatto. Un jazz moderato, aggiornato e inutile. Strano tipo l'altosassofonista Charlotte Greve. In The Choir Invisible (Intakt) suona melodie cantabili a mezza voce accennando timidi spunti improvvisati con accanto i solidi Chris Tordini (contrabbasso) e Vinnie Sperrazza (batteria).
Auf diesem großartigen Konzert-mitschnitt zum 40-jährigen Bestehen der „Nickelsdorfer Konfrontationen" gibt Irène Schweizer bereits im Opener
„A Former Dialogue" ein unmittelbar nach vorne gespieltes Tempo vor, wofür Drummer Hamid Drake ihr den nötigen Raum lässt. Ihr Spiel ist glasklar, spielerisch, mit Monk-Zitaten und einer kurzen Ragtime-Sequenz. Im folgenden „Hot Sunflowers" beginnt sie mit einer Basis aus freien Klängen, auf der sie Zitate platziert und kombiniert: eine schnelle, komplex verdichtete Collage, brillant in Präzision und Ideenreichtum.
„The Good Life" zeigt ein Schlag-zeugsolo Drakes, das in einen spielerischen Bop der Pianistin übergeht, erweitert zu einer Cape-Jazz-Melodie, die Dollar Brand zitiert, lässig zurückgelehnt.
„Twister" eröffnet mit einer an Schönberg und die Wiener Schule erinnernden Sequenz, die über Akkordcluster in ein serielles, freies Spiel übergeht. Schweizers Anschlagen und Zupfen der mit Metall-kugeln präparierten Saiten, setzt Drake in „Stringfever" fast archaisch wirkende Trommelläufe entgegen, in einem Wechselspiel konzentrierter, fast meditativer Klangvibrationen.
Der lockende, sinnliche „Blues For Crelier" ist Schweizers Lebensgefährtin gewidmet, erneut mit Cape-Jazz-Zitaten und einem humorvollen Augenzwin-kern, aufgebrochen durch das nachfolgende „Nickelsdorf Glow" mit einem schnellen, harten, seriellen Spiel. Die Klangflächen von „Celebration" erinnern an die tiefe spirituelle Intensität und das horizontale Spiel Alice Coltranes. Meis-terhaft, präzise, kristallin. Die Zugabe „Song For Johnny", dem südafrikanischen Pianisten Johnny Dyani gewidmet, zeigt abschließend Schweizers lebenslange Liebe zum südafrikanischen Jazz
- und sie selbst mit dieser Aufnahme auf dem Höhepunkt ihres Könnens.