Auf ihrem sechsten Album präsentiert sich die Formation Pilgrim des Zürcher Tenorsaxophonisten Christoph Irniger in der gewohnten Besetzung mit Stefan Aeby am Klavier, Dave Gisler an der elektrischen Gitarre, Raffaele Bossard am Bass und Michael Stulz am Schlagzeug. Ungewohnt ist die Versuchsanlage: Der 64-minütige Live-Mitschnitt vom 29. November 2023 aus dem Klub Red Horn District in Bad Meinberg (NRW) gibt das Konzert ungefiltert wieder. So gut wie nichts wurde editiert, und da es keine fixe Setlist gab, erleben wir die Musiker auf verschlungenen Pfaden zwischen freier Improvisation, solistischen Eskapaden und dem Sich-Zusammenfinden in neuen Stücken oder solchen, die sie schon oft gespielt haben. Einige Tracks werden gründlich gestaltet und umgestaltet, andere nur angetippt. Die Band kann sich viel erlauben, weil sie in den fünfzehn Jahren ihres Bestehens zu einer Einheit in der Vielfalt zusammengewachsen ist. Gleichwohl kann bei diesem Konzept nicht alles gleichermaßen gelingen. Es gibt Wege und Irrwege, energetische Ballungen und innige Momente, aber auch Passagen, in denen Fäden fallengelassen werden und weniger passiert. Diese gehören freilich zum Ganzen: Nur wo es Spannungswechsel gibt, wird Spannung überhaupt wahrgenommen. Die Reise beginnt mit einer Hommage von Gisler an Jimi Hendrix, bevor in >>Calling the Spirits<<< buchstäblich vorgeführt wird, wie eine Gruppe zusammenfindet. Die Mehrzahl der bereits bekannten Stücke entstammt dem Album >>Ghost Cat<< von 2023, so auch die weitausgreifende Lesung von >> Seven Down Eight Up<<: Sie illustriert das Aikido-Prinzip, nach dem man immer einmal mehr aufstehen als hinfallen muss. Ein guter Rat, den man auch beim Anhören dieses teils irritierenden, teils faszinierenden Mitschnitts beherzigen sollte. Mit dem symbolhaften Titel >>Back in the Game<< aus der >>Italian Circus Story<<< von 2014 endet die Abenteuerfahrt.