


247: OMRI ZIEGELE – BILLIGER BAUER. So Viel Schon Hin – 15 Herbstlieder
Intakt Recording #247 / 2014
Omri Ziegele: Alto Saxophone, Voice
Isa Wiss: Voice
Jürg Wickihalder: Soprano Saxophone, Alto Saxophone, Tenor Saxophone
Nick Gutersohn: Trombone
Gabriela Friedli: Piano
Yves Reichmuth: E-Guitar
Jan Schlegel: E-Bass
Herbert Kramis: Double Bass
Marco Käppeli: Drums
Dieter Ulrich: Drums, Bugle
More Info
Der Zürcher Saxophonist und Komponist Omri Ziegele präsentiert die dritte Veröffentlichung seiner Grossformation Billiger Bauer. Zu seinem 15. Geburtstag hat der Billige Bauer im Zürcher Theater Neumarkt ein 15-teiliges Werk uraufgeführt, für das Omri Ziegele sowohl die Musik als auch den Text geschrieben hatte. Es trägt den tief- und hintersinnigen Titel «So viel schon hin» und ist eine Ode an den Herbst mit seiner Farbenglut, aber auch mit seinem Gemahnen an die Vergänglichkeit. Der Jazzkritiker Manfred Papst (NZZ am Sonntag) schreibt in den Linernotes: «Viele Elemente spielen hinein in die Musik des Billigen Bauern - von Igor Strawinsky und Kurt Weill bis zum Vienna Art Orchestra. Doch eines ist immer klar: Es geht um Intensität, um einen spirituellen Impetus. Da ist die Hingabe John Coltranes zu spüren. Das schliesst indes weder Introspektion noch Humor aus ... Hymnische und lyrische Passagen gehen ineinander über, Kontemplation mündet zwanglos in erdigen Groove ... Sanfte Melancholie durchzieht dieses komplexe und gleichwohl zugängliche Werk mit seinen überlagerten Rhythmen und seiner innovativen Orchestrierung.»
Album Credits
Cover art and graphic design: Jonas Schoder
Liner notes: Manfred Past
Photo: Timo Ullmann (bildwild)
Music and lyrics by Omri Ziegele. Recorded January 2 – 5, 2014, at Jazzcontainer Uster by Willy Strehler. Mixed and mastered by Willy Strehler and Omri Ziegele.
Geist der Anarchie
Die Zürcher Formation Billiger Bauer ist ein Synonym für die innovative Kraft des Free Jazz. Kaum zu glauben, dass die bunte Truppe bereits ihren 20. Geburtstag feiert.
Diese Band ist ein Phänomen. Ein Rätsel. Ein wandelnder Widerspruch. Als wilder Haufen wurde sie in ihren frühen Jahren apostrophiert. Sie nahm es als Kompliment auf, obwohl sie stets mehr als eine dem Free Jazz verpflichtete Chaos-Truppe war. Die 1996 gegründete Formation war von Anfang an - und ist bis heute - eine Big-Band ohne Leader. Ein Kollektiv von kreativen Köpfen, dessen höchster Wert die Freiheit ist, das aber dennoch musikalische Ordnungen erkennt und anerkennt. In der Spannung von Komposition und Impro- visation ereignet sich die beunruhigende und beglückende Musik des Billigen Bauern. Jeder Einzelne soll sich hier verwirklichen können, aber nicht in autistischen Explorationen, sondern im Dialog, im lebendigen Geist des Widerspruchs. Damit steht die Truppe in der Tradition von amerikanischen Grössen von Charles Mingus bis Sun Ra.
Zu den Gründungsmitgliedern des Billigen Bauern zählten der Saxofonist Omri Ziegele, der Schlagzeuger Dieter Ulrich und der Bas- sist Jan Schlegel. Auch der grosse, leider viel zu früh verstorbene Pianist Klaus Voerkel war bei den ersten Proben noch dabei. Alsbald trat die Pianistin Gabriela Friedli an seine Stelle. Sie gehört bis heute zu den tragenden Stützen des Nonetts.
In den ersten Jahren trafen sich die Musiker jede Woche. Dann änderte sich der Rhythmus und pendelte sich auf ein monatliches Treffen vor Publikum ein. Gegen 300 Konzerte hat der Billige Bauer inzwischen in der Werkstatt für Improvisierte Musik (WIM) in Zürich gegeben, er ist aber immer auch wieder in die Welt hinausgeschwärmt.
Obwohl die Truppe nach dem Prinzip der von Karl Marx definierten kommunistischen Urhorde funktioniert, hat sie einen Spiritus Rector: den Saxofonisten Omri Ziegele. Der 1959 in einem israelischen Kibbuz geborene Schweizer ist ein Wirbelwind. Ein brillanter, expressiver Solist, ein Ekstatiker, der sich bei jedem Auftritt die Seele aus dem Leib spielt. Ein Feuerkopf, ein Mann mit einer Mission. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Omri Ziegele muss sich nicht stets in den Vordergrund spielen. Er ist auch ein Hirtenhund, der die Herde zusammentreibt. Er organisiert die Gigs der Band, kümmert sich um alles Technische und Bürokratische. Zudem steuert er zahlreiche ehrgeizige Kompositionen für die Probenarbeit des Billigen Bauern bei. Doch sobald die Band auf der Bühne steht, ist er nicht mehr der Chef. Er versagt sich jedes Handzeichen, das auf die Rolle des Dirigenten hindeuten könnte. Nun lässt er der Magie des Augenblicks freien Lauf, nun spielt nur noch die Musik, in lebendiger Anarchie und kollektiver Improvisation, es ist ein Abenteuer auf jede Gefahr hin, alle bringen sich mit Leidenschaft ein.
Mit beliebigem Herumnudeln darf man diese Kunst jedoch nicht verwechseln. Omri Ziegele und seine Kombattanten wissen, dass Improvisation ein Thema braucht. Deshalb zieht sich die Band nach Möglichkeit einmal pro Jahr zu einer Retraite zurück. In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens fanden diese Treffen in Saint-Légier statt. In diesen Klausuren wurde jeweils festgelegt, von welchen Kompositionen aus man inskünftig Neuland erkunden sollte.
In den zwanzig Jahren seines Bestehens hat der Billige Bauer nur gerade drei CD veröffentlicht. Sie sind alle höchst bemerkenswert, aber sie sind nicht unbedingt typisch für den Alltag der Working Band. In ihnen spielt das kompositorische Moment eine weit grössere Rolle als bei den Live-Auftritten der Band. Diese aber sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Denn hier, in der WIM an der Magnusstrasse 5 in Zürich, lebt und pulsiert der Jazz. Wir müssen durchaus nicht nach den Szenen in London und New York schielen. Vor unserer Haustür findet die Zukunft des Jazz statt. Mit den erwähnten Gründungsmitgliedern des Billigen Bauern sowie mit Jürg Wickihalder am Saxofon, Nick Gutersohn an der Posaune, Yves Reichmuth an der Gitarre, Herbert Kramis am Kontrabass und Marco Käppeli am Schlagzeug.
Bleibt die Frage, wieso diese wunderbare Formation Billiger Bauer heisst. Legenden gibt es naturgemäss viele. Die von Omri Ziegele lautet so: «1996 versuchten meine Familie und ich uns als Teilzeitbauern. In eine Probe der Band platzte ein Anruf meiner Frau: Du musst sofort kommen, eine Kuh kalbert! Ich also nichts wie weg. Und die Kollegen spöttelten: Da rennt der billige Bauer los. Zack, schon hatten wir unseren Namen.>>>
Zwanzig Jahre später gibt es das anarchische Kollektiv rund um Omri Ziegele immer noch. Das ist schön, denn die Band hat nichts von ihrer revolutionären Kraft eingebüsst. Sie bringt die Musik weiter voran, und sie steht ein für eine offene, multikulturelle Gesellschaft. Ihre Kunst ist, auch wenn sie weitgehend ohne Worte auskommt, hochpolitisch. Sie wirkt aufklärend und integrierend. Zudem betört sie durch ihre wilde Schönheit. Mehr kann man...
Le Omri Ziegele Billiger Nonet comprenant deux saxophones (Omri Ziegele et Jürg Wickihalder), la pianiste Gabriela Friedl, un trombone, une guitare, une basse électrique, une contrebasse et deux batteries qui accompagnent les vocaux de Isa Wiss, me laisse par contre un peu sur ma faim. Malgré la qualité du travail, ces « 15 Herslider » mêlent texte et musique de façon un peu alambiquée.
http://www.culturejazz.fr/spip.php?article285
Elève de Chris Biscoe, compagnon régulier d’Irène Schweizer avec qui il a partagé un fameux quartet, le saxophoniste Omri Ziegele appartient à une famille d’artistes qui aiment à se retrouver dans de nombreuses formation connexes, du duo au quartet. Quant à lui, il dirige cette troupe d’une petite dizaine de pupitres au sein de Billiger Bauer, un collectif qui depuis presque vingt ans s’inscrit dans une fusion à froid entre musique écrite occidentale « savante » et éclatement des formes. L’accompagnent des grands noms de la scène européenne comme Jürg Wickihalder, un ancien sideman de Steve Lacy, ou Gabriela Friedli, pianiste dont le récent trio l’unissait au batteur Dieter Ulrich.
Pour son troisième album chez Intakt Records, label fidèle - on se souvient également de son duo avec Yves Theiler -, Ziegele propose 15 Herbstlieder. Ces quinze chants d’automne construits comme un cycle de lieder à composition continue - durchkomponiert pour les intimes -, se laissent gagner par une émotion romantique où la nature et les éléments sont au centre du propos. Dans « Herbstlied 3 », lorsque l’archet de la contrebasse d’Herbert Kramis vient caresser l’ostinato étiré de Friedli avant d’être bousculé par des tutti soudains, déclenchés par la guitare d’Yves Reichmuth, on songe à une collision volontaire entre Mahler et de glorieux aînés comme le Vienna Art Orchestra. La référence à ce dernier est surtout évidente dans ce soin tout particulier apporté à l’agencement des timbres et aux arrangements luxueux d’où se détache l’excellent Nick Gutersohn, qu’il convient de suivre.
« Herbstlied 4 », dans lequel le tromboniste brille, permet d’apprécier le son granuleux de Ziegele ainsi que celui d’Isa Wiss, qui interprète ces lieder. Son registre est très étendu, de la voix ronde et puissante au chant de gorge en passant par le klangfarben (« Herbstlied 8 ») ; elle donne à cet album son étrange couleur. Ziegele a écrit les paroles des lieder dans un style proche du haïku, se fixant une limite de quinze mots par morceaux. Wiss s’en sert de matériel, répète les phonèmes, les garde en bouche, en joue avec un plaisir réel. Au delà des racines revendiquées (la folie de Mingus, la perpétuation d’une manière d’envisager l’orchestre dans le free européen…), on pensera aussi à Archimusic et ses « 13 arpents de malheur ». So viel schon hin (dont le titre intraduisible évoque sans doute la trajectoire de feuilles mortes) est un disque étonnant, hors des sentiers battus. Sauter dans l’humus en compagnie de ces dix musiciens est délicieusement transgressif.
https://www.citizenjazz.com/Omri-Ziegele-Billiger-Bauer.html
Der Name hat nichts Musikalisches, Jazziges schon gar nicht. Und doch pflügt Omri Ziegele mit seinem Billigen Bauer die Zürcher Jazz-Szene nachhaltig um. Seit fast zwanzig Jahren betreibt der umtriebige Saxophonist ein Musiker-Kollektiv, das bislang rund hundert Mitglieder durchlaufen haben. Von der Urformation sind noch fünf Musiker dabei. Mit ihnen und fünf weiteren hat Ziegele das neue Album eingespielt, das dritte. „viel schon hin" ist der vielsagende Titel eines Zyklus von 15 Herbstliedern, die jeweils aus 15 Worten zum 15-jährigen Bestehen des Kollektivs geschrieben wurden, aufgeführt vor zwei Jahren. Das Tentett präsentiert ein kammermusikalisch Ganzes, das immer wieder durch expressive Free-Sounds aufgefrischt wird. Dominierend sind selbstredend die Texte der 15 Lieder, die verschiedene Lesarten zulassen. Isa Wiss nutzt diese Freiräume mit ihrem intervallartigen Sprechgesang im sprachrhythmischen Duktus der Bläser. Scat war dabei nicht vorgesehen. Trotzdem ein expressives wie inniges Hörvergnügen.
OMRI ZIEGELE: «So Viel Schon hin» (Intakt, distr. Goodfellas). Alla testa del tentetto Billinger Bauer, il compositore e sassofonista israeliano (classe 1959) propone una quindici «lieder autunnali». Ne risulta un progetto ambizioso, puntigliosamente preordinato, di alta valenza teatrale per gli unisoni decisi, le sospensioni e i silenzi, l'uso declamatorio o esasperato della voce... Una musica d'impronta mitteleuropea dal carattere unitario, anzi monocorde e un po' claustrofobico, presenta un andamento frammentario, soggetto com'è alla successione di brevi episodi circoscritti.
Das spezifische Gewicht
der Lyrik
Zu den verbreiteten Irrtümern die Literatur betreffend gehört, dass Lyrik eine Gattung des Ungefähren sei, der gefühlig verfliessenden Konturen. Das trifft auf die Albumpoesie höherer Töchter von einst zu. Lyrik, die diesen Namen verdient, verlangt einen Dichter im Wortsinn, einen Ver-Dichter. Sie ist, von Walter von der Vogelweide bis Else Lasker-Schüler, eine Kunst der Konzentration, des hohen spezifischen Gewichts, der scharfen Ränder. Harte Arbeit, bis ein Einfall zu klingen zu anfängt. An den Texten der 15 Herbstlieder, die der bislang hauptsächlich als freier Improvisator bekannte Zürcher Musiker Omri Ziegele für die Formation „Billiger Bauer“ schrieb, wurde gewiss nicht monatelang herumgeschliffen. Vielmehr ging er, frei nach Goethe, im Walde so vor sich hin. Dann aber setzte ein Prozess ein, den man im übertragenen Sinn durchaus als musikalische lyrische Arbeit bezeichnen kann: die Texte, zum 15-jährigen Jubiläum des über die Jahre als improvisatorisch-kompositorischer Workshop sich fortentwickelnden Ensembles auf je 15 Wörter konzentriert, sind Anlass für 15 scharf montierte, dichte musikalische Miniaturen zwischen innigen klangmalerischen Herbststücken und ohrenzerfetzenden Eruptionen, ein ungemein vielfarbiger Wirbel von kurzen dichten Piècen für Nonett plus Sängerin (Isa Wiss). Ein im weiteten Sinn suitenartiger Ablauf, der im Sprung von Essenz zu Essenz den hoch besetzten und gemeinhin andere Freiräume gewohnten Improvisatoren einiges an Selbstlosigkeit abverlangt (tatsächlich nicht unähnlich der Praxis von Duke Ellington, der seine Solisten in der Regel an der kurzen Kandare weniger Chorusse hielt): Ziegele selbst am Alto, Jürg Wickihalder an diversen Saxophonen, Nick Gutersohn an der Posaune, Yves Reichmuth an der E-Gitarre, Gabriela Friedli am Piano und die beiden Bässe Jan Schlegel und Herbert Kramis und die zwei Drummer Marco Käppeli und Dieter Ulrich – eine Art who is who der freien Zürcher Impro-Szene - hier über weite Strecken kompositorisch eingebunden, aber nicht domestiziert. Wild und wunderbar. Heftig und zart wie das Leben.
Durchwandert viele unterschiedliche Felder
Omri Ziegele
Es tut sich einiges in Zürich in Sachen improvisierte Musik und Jazz. Schon seit Jahrzehnten mischt dort Saxophonist und Komponist Omri Ziegele, 56, mit. Derzeit ist er insbesondere mit dem Ensemble Billiger Bauer und dem Trio Noisy Minority unterwegs, spielt aber auch in anderen Formationen wie dem Schweizer Holz Trio sowie im Duo mit Pianistin Irène Schweizer. Mit ihr gestaltete er selbst ein Stück Schweizer Musikkultur in Form der Musikerinitative OHR und des unerhört!-Jazzfestivals.
Nein, mit einem besonders günstigen Gemüsemarkt hat es nichts zu tun, wenn vom „Billigen Bauern" die Rede ist. Die Texte des aktuellen Werkes „So viel schon hin 15 Herbstlieder" entstanden auch nicht an einem Stammtisch bei dem Versuch, im alkoholisierten Zustand die abwegigsten Alternativsätze für die heimische Glückskekssammlung zu ersinnen. Ebensowenig die komplexe, dumpfe bis schrille, gedehnte bis rasante, schmale bis pompöse musikalische Konstruktion. Schräg mag das mancher finden, das aber ist einkalkuliert. Denn was Omri Ziegele, geboren in Israel und seit Jahrzehnten in Zürich angesiedelt, tut, das ist gern mal schräg mit Vorsatz. Meist ist es irgendetwas im Bereich Improvisation, Jazz und Experimentelle Musik es ist nicht so, dass das Genre für ihn sonderlich bedeutsam wäre. Er unterscheidet auch als Hörer gern schlicht zwischen Musik, die er gut, und solcher, die er nicht gut findet, und was seiner Meinung nach der ersten Kategorie zuzuordnen ist, kann dann welchem Genre auch immer entsprechen, das ist ihm egal. Wenn Ziegele von seiner Musik spricht, dann redet da einer, der von sich und dem, was er tut, sehr überzeugt ist. Wenn es ihm in den Sinn kommt, experimentiert er, das kann mal gut und mal schief gehen, das sieht er dann schon. Die Werkstatt für Improvisierte Musik WIM in Zürich ist für solche Ansinnen ein geeigneter Entfaltungsort, nicht umsonst tritt Billiger Bauer dort schon seit fast zwei Jahrzehnten monatlich live in Erscheinung. Dass Ziegele, wie er selbst von sich sagt, in früheren Zeiten schon öfter mal die Klappe aufgerissen hat und bisweilen dafür auch auf die Mütze bekam, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Doch die Reflexion seiner musika- lischen Arbeit ist ihm ein Anliegen, sei das nun in Sachen Musik, Bands oder Festivalprogramm, und große Töne gibt es von seiner Seite auch nur noch ganz selten, sagt Ziegele, und klingt überzeugt.
Doch wie kommt es denn nun, dass der in Boston am Berklee College of Music und in London ausgebildete Musiker, der unter anderem Bob Mover und Chris Biscoe zu seinen Dozenten zählte, sein Ensemble Billiger Bauer nannte? Mit Landwirtschaft hat es im weitesten Sinne tatsächlich etwas zu tun, denn seine Eltern standen gern im engen Austausch mit Bauern in der Umgebung, sein Bruder war für einige Zeit selbst als solcher tätig. Billig soll denn auch mehr der Bedeutung rechtschaffen, anständig" entsprechen als „preiswert". Hinzu kommt aber noch ein anderer Grund. Viele Ensemblenamen umschreiben die gespielte Musik direkt und klingen dabei sehr bedeutungsvoll. Ich wollte lieber etwas Verspielteres, weniger Festgelegtes. Der Name sollte auch die Möglichkeit wahren, dass das Ensemble in zehn Jahren ganz anders klingt als jetzt." Zum zehn- jährigen Jubiläum im Jahr 2006 schrieb Ziegele eine Komposition für zwölf Musiker und Stimme und wollte sich auch für das 15-jährige Bandbestehen etwas einfallen lassen. Der Herbst brachte ihn auf die Themen Veränderung und Zerstörung, die er seinen Vorstellungen entsprechend weiterspann. „Ich lebe zwar in Zürich, bin aber viel im Wald in der Umgebung, zum Laufen oder Spazierengehen. Außerdem habe ich eine enge Beziehung zu Worten, lese viel und schreibe auch. Im Kontext des Jubiläums von Billiger Bauer fragte ich mich irgendwann bei einem Spaziergang, wie es wäre, wenn ich kurze Liedtexte mit jeweils 15 Worten schreibe. Aus dieser Idee entstand das alles." Seine Einfälle steckte der Komponist in ein festgelegtes Korsett. „Das habe ich vorher noch nie gemacht, mich strukturell einzugrenzen und mich etwa nach einer bestimmten Zahl zu richten. Wenn ich schreibe oder musiziere, gehe ich normalerweise assoziativ vor. " Die Band stellte er vor entsprechend restriktiv gesetzte musikalische Aufgaben. „Normalerweise hat Improvisation in diesem Ensemble einen hohen Stellenwert. Sie ist sehr dynamisch und offen, jeder kann sich gleichermaßen einbringen. Speziell in dieser Produktion blieben durch die weitgehend festgelegte Komposition nur Mikroräume zum Improvisieren." Die Vorgaben wurden bisweilen zur Herausforderung für die Gruppe, einen achtköpfigen Männerverein mit zwei weiblichen Gästen in Gestalt von Gabriela Friedli am Piano und Isa Wiss, Gesang. „Für das Ensemble war das nicht immer einfach, über drei Jahre mit diesem Repertoire zu proben und aufzutreten. Sonst improvisieren die Musiker sehr viel frei, und nun fühlten sie sich genötigt, ständig vom Blatt zu spielen. Daher schlug da...
Fortlaufend neugierig
Das Zürcher Bandprojekt Billiger Bauer feiert sein 20-jähriges Bestehen mit einem Minifestival und einer anschliessenden Tournee.
Diese Band trifft sich seit 20 Jahren regel- mässig zum Proben und gibt allmonatlich ein Konzert: Im April 1996 lud der Zürcher Saxo- fonist Omri Ziegele befreundete Tüfteljazzer zur Session in die Werkstatt für Improvisierte Musik (WIM) in Zürich. Seither arbeitet dieses offene Kollektiv in wandelnder Besetzung an neuen Tönen und Stücken, die regelmässig an gut besuchten Konzerten gespielt werden.
Nur drei CDs sind in dieser Zeit entstanden, die letzte ist kürzlich erst erschienen (kulturtipp 17/15). Nun feiern Initiant Omri Ziegele und die aktuell zehnköpfige Band ihr ungewöhnliches Jubiläum. An einem zweitägigen Festival gibt es ein reichhaltiges Programm mit sogenannten Sound-Stafetten, Kurzprogrammen von Duos und Trios, mit Gastspielen von Tenor Christoph Homberger und Pianist Jan Czajkowski sowie Neuem aus dem billigbäuerlichen Tüftellabor. Danach geht das fortlaufend neugierige Kollektiv, zu dem herausragende Köpfe der jungen und jung gebliebenen Schweizer Jazszene gehören, auf ausgedehnte Tournee.
Billiger Bauer bestellen den Jazz-Herbst
Er ist einer der aktivsten Arbeiter im Zürcher Jazz: Omri Ziegele. Seit mehreren Jahren feilt der Saxofonist unter anderem mit seinem grossen Kollektiv Billiger Bauer an jazzistischen Kunstliedern. Jetzt erscheinen die Früchte die ser Arbeit sozusagen jahreszeitgerecht auf CD: <> Doch sind es überhaupt richtige Lieder? Da ist zwar die Stimme von Isa Wiss, aber die Textzeilen sind knapp gehalten und in eine reiche Ensemblesprache eingelassen.
Dass die Stücke zur Hauptsache von instrumentalem Zauber leben, hat bei Billiger Bauer allerdings schon seine Richtigkeit: Im seit 1996 bestehenden Ensemble sitzen heute die stärksten Musikerinnen und Musiker der Zürcher Impro-Szene neben Omri Ziegele sind das Jürg Wickihalder, Nick Gutersohn, Yves Reichmuth, Gabriela Friedli, Jan Schlegel, Herbert Kramis, Marco Käppeli, Dieter Ulrich. Und monatlich spielt es ein Konzert in der Werkstatt für Improvisierte Musik (WIM). Diese Kontinuität ermöglichte eine komplexe Ensemblesprache, wie sie in den «Herbstliedern» hörbar wird: Die vierbis fünfminütigen Stücke sind jedes für sich ein kleiner Kosmos, der dicht gebaut ist, vielteilig, voller kleiner, kostbarer kompositorischer Einfälle. Wenn nun eine allzu dominante Gesangsstimme alles überlagert hätte wie schade wäre das doch gewesen.
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<<>> - Herbstlieder für Gesang und Jazz-Nonett
Omri Ziegele und das Zürcher Jazzensemble Billiger Bauer taufen ein neues Album
Zum Zwanzig-Jahre-Jubiläum der Band Billiger Bauer hat der Zürcher Jazzsaxofonist Omri Ziegele ein Repertoire mit fünfzehn Herbstliedern geschrieben. Die CD «So viel schon hin wird in Miller's Studio getauft.
Erst noch herrschte gleissender Sommer, nächste Woche steht bereits das Aquinoktium an, mit dem die Tage kürzer werden als die Nächte. Eine passende Zeit für Omri Ziegele und seine Band Billiger Bauer, das Album «So viel schon hin» vorzustellenein Repertoire mit fünfzehn Herbstliedern. Zugleich feiert das Ensemble so auch die zwanzig Jahre seines Bestehens
Schräge Intervalle
Ursprünglich sollten diese Lieder be reits 2011 zum 15-Jahre-Jubiläum der neunköpfigen Formation um den Zürcher Altsaxofonisten Omri Ziegele erscheinen. Aber die Arbeit verzögerte sich. So könne es einem eben gehen, erklärt Ziegele: «Eben hast du fünfzehn Jahre gefeiert und schon kommt das 20-Jahre-Jubiläum dahergaloppiert.»
Ziegeles Herbstlieder sind nicht ein Lamento über die fliehende Zeit angesichts der sterbenden Flora. Sie bilden die herbstliche Natur in aller Vielfalt der Farben und Stimmungen ab. Das Nonett bringt seine dynamischen Möglichkei ten in Anschlag. Besinnlich und fein klingt es oft, um dann in dissonante Eruptionen umzuschlagen. Die Musik lässt die Ambivalenz des Herbstes zwischen Milde und Melancholie einerseits, zwischen Sturm und Todesahnung ande rerseits erklingen.
Das Nonett Billiger Bauer wird dabei durch die Sängerin Isa Wiss ergänzt, die noch die schrägsten Intervalle und die giftigsten Schreie glaubwürdig darbietet. Die Instrumentalisten begleiten die Vokalistin behutsam. Oft umschmeicheln Bläser ihre Stimme, auch die Solisten fügen sich mit ihren knappen Beiträgen gut in die Architektur, die den Kompositionen trotz allerlei gewagten Elementen stets den Liedcharakter belässt.
Omri Ziegele und Billiger Bauer, die mit ihren Werkstattkonzerten seit 20 Jahren die Zürcher Jazzszene beleben, haben mit diesem Projekt einige Neucrungen gewagt. Zunächst hat der Leader zum ersten Mal Texte gedichtet, und zwar mit einer formalen Auflage. Es sind 15 Texte mit je genau 15 Worten. Das sei doppelt untypisch für ihn: «Eigentlich arbeite ich nicht mit Konzepten. Ich bin ein Mensch der Eingebung.
Die Herbst-Lyrik zeigt Ziegele als empfindsamen und nachdenklichen Betrachter der sich wandelnden Natur. In einem Lied heisst es: Zarträndriges Blatt, ich grüsse dich. Starkstenglig sah dich der Sommer; jetzt genügt der winzigste Hauch. Zu seinen Texten kom-ponierte Ziegele zunächst Gesangs linien, die von Instrumentalstimmen begleitet werden. Doch dann habe ihn «der Furor gepackt», er habe den Liedzyklus bis in Details auskomponiert.
Ziegele und seine Musiker, die sonst ausschweifend improvisieren, spielen so nur kurze Soli, die stark im Dienst der Komposition stehen. Omri Ziegele bezeichnet das Lied-Projekt als einmalige Sache, die der Band aber neue Impulse gegeben habe. Dass die Solisten zurück- treten und ihre Beiträge in eine Komposition einfügen müssten, habe den Sinn für das Kollektiv gestärkt.
Lustvolle Genre-Schmelze
Am kommenden Wochenende werden die Herbstlieder in Miller's Studio vorgestellt. Der Billige Bauer aber wäre nicht, was er ist, wenn er die neue CD einfach herunterspielen würde. Am Samstag werden die Kompositionen aufgeführt, daneben treten aber auch die verschiedenen Unterformationen des Nonetts hervor.
Den Sonntagabend eröffnen die Musiker Christoph Homberger und Christoph Keller mit romantischen Herbstliedern. Danach stürmen Billiger Bauer und Isa Wiss die Bühne - zur lustvollen Genre-Schmelze: Klassik meets Jazz, Schubert meets Ziegele, schöne Müllerin trifft Billigen Bauern.