Manchmal gibt es besondere Anlässe ohne besonderen Anlass, auch ohne „runden“ Geburtstag – wie am 8. Oktober 2005 im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL): Irène Schweizer trat in einem der besten Klassik-Konzertsäle der Welt auf, brachte ihre eigene Kultur und ihre Leute mit und erwärmte den perfekt kühlen Raum für einige Stunden. Eine erste, lange Improvisation namens „First Choice“. Zwanzig Minuten lang entspannte sich Irène Schweizer für den Abend und gelangte im Laufe dieses Langstreckenlaufs zu einem der wilden afrikanischen Tänze, die ihr Publikum so liebt. Mit der ambitionierten zweiten Improvisation „Into the Hall of Fame“ betrat Irène diesen Saal endgültig, und da das Publikum sich nicht um die übliche KKL-Coolness kümmerte und der Künstlerin auf der Bühne seine Anerkennung mitteilte, war die Distanz zwischen ihnen bald überwunden. Irène-Süchtige kannten die zarte „Ballad of the Sad Café“ aus früheren Konzerten und ihrer CD „Piano Solo I.“ (Intakt CD 020). Anschließend kratzte sie humorvoll am Lack des luxuriösen Gebäudes, in dem sie spielte. Diesen zurückhaltenden Angriff nannte sie später „Scratching at the KKL“, bei dem sie mit Fingerzimbeln, Filzschlägeln und einer roten chinesischen Spielzeugtrommel über die Klaviersaiten ritt. Als nächstes bot „Loneliness of the Long Distance Piano Player“ eine ironische Perspektive auf das Innenleben eines solchen Pianisten, der Titel basiert auf Alan Sillitoes Roman „Die Einsamkeit des Langstreckenläufers“. Jeder Solopianist ist allein auf der Bühne, aber noch einsamer im KKL, und eine Stunde Solospiel bedeutet hier mindestens einen 5000-Meter-Lauf. Sie schloss mit Hommagen an ihren Klavierliebling Thelonious Monk („Oska T.“) und an Don Cherry („Jungle Beats II“). Das „II“ macht übrigens deutlich, dass Irène nicht nur eine freie Improvisatorin ist, sondern auch eine produktive Komponistin – mit Kompositionen, die jedes Mal neu und anders sind. Keine Zugaben – das Publikum konnte so viel schreien, wie es wollte; das genügte.