Kein Land in Europa hat so viele erstklassige Schlagzeuger hervorgebracht wie die Schweiz selbst, ein Land mit starker Schlagzeugtradition. Nirgendwo in Europa gibt es so viele «Percussion-Clubs»: Die Basler Fasnacht ist Jahr für Jahr das interessanteste Percussion-Spektakel, das Europa zu bieten hat, und präsentiert eine Qualität trommelnder Präzision, für die es kaum ein eindrucksvolleres Äquivalent gibt, zumindest nicht im Bereich der grösseren Schlagzeuggruppen. Bis heute geniesst in Basel für Aussenstehende, der Gelehrtenstadt par excellence, ein guter Schlagzeuger höhere Wertschätzung als ein Gelehrter. Fachleute erinnern uns daran, dass im Land der Eidgenossen die Percussion-Tradition bis ins Mittelalter zurückreicht.
Pierre Favre tritt seit Anfang der siebziger Jahre als Soloschlagzeuger auf. Seither sind sich die Kritiker über die außergewöhnliche Qualität dieser Soli einig. Bei der Beschreibung von Favres Kunst als Solist kann man nicht von der demonstrativen Virtuosität sprechen, mit der die großen Schlagzeuger ihre Stile und Begleittechniken vorführen.
Im Gegenteil: Bei Favre findet man von Anfang an eine persönliche musikalische Vision, die im gleichen Sinne zu verstehen ist, wie eine Sonate für das Klavier gedacht ist.
1984 komponierte Pierre Favre zum ersten Mal für ein Schlagzeugensemble, dem Paul Motian, Fredy Studer, Nana Vasoncelos und er selbst angehörten («Singing Drums», ECM 1274). Mit «Singing Drums» verlieh Favre seiner Vision erstmals eine wirkliche Orchesterform.
«Singing Drums» gehen in dieser Entwicklung noch einen Schritt weiter. Obwohl zwei der vier Instrumente dieses neuen Ensembles Bläser sind, ist das Konzept der Gruppe im Wesentlichen rhythmisch. Das Quartett von 1984 hat sich gleichsam zum Duo Pierre Favre Lucas Niggli verdichtet. Niggli unterscheidet sich von den Schlagzeugern der 60er-Jahre-Generation durch einen persönlichen Ausdruck, der energisch und flexibel ist und keine modischen Muskelprotze erfordert.
Das Schlagzeugerduo bildet den Rahmen, in dem der Saxophonist und Klarinettist Roberto Ottaviano und der Tubist Michel Godard agieren. Ersterer kann eine einzigartige erhebende Gesangskraft zugeschrieben werden, die ein besonderes Licht auf die darunterliegende rhythmische Landschaft wirft. Letzterer vereint Kraft und melodische Finesse in seiner Tuba, aus der er mühelos die Tonalitäten großer Trommeln oder die der höchsten Sopran-Tonleiter hervorbringt. Die Interventionen der beiden Bläser unterstreichen, beleuchten und kommentieren den Schlagzeugerdiskurs.
Vereinfacht zusammengefasst: Die „Singenden Trommeln“ tauschen die Rollen, oft sind es die Hörner, die die Schlagzeuger begleiten.