Mit "Fresh Juice" legt Gabriela Friedli mit ihrer Formation "Objets Trouvés" bereits ihre dritte CD vor. Die Idee hinter dieser neuen Live-Einspielung und die Herkunft der Stücke verraten viel über Friedlis musikalisches und persönliches Weltbild.
Für das Werkjahr der Stadt Zürich, das Gabriela Friedli 2009 nutzen durfte, hatte sich die Zürcherin etwas ganz Besonderes vorgenommen: "Ich bin eine total angefressene Berglerin, und so habe ich mir ein Haus und ein Klavier gemietet und mich für einige Monate aus der Stadt zurückgezogen." Als kreativen Rückzugsort wählte sich Friedli Vrin-Dado, das kleine Dorf im Lumnez, gleich unterhalb der wunderbar ödverlassenen Greina-Ebene. Die Abgeschiedenheit und die absichtlich gesuchte Nähe zum ländlichen Leben machte das Komponieren allerdings nicht nur leichter: "Ich wohnte mitten im Dorf, und die Leute hörten jeden Ton von mir mit. In dieser Umgebung wirkte meine Musik manchmal fast absurd. So habe ich mich nach einer Weile mehr damit befasst, das Land, das Dorf und die Leute kennen zu lernen. Ich ging oft wandern und wurde so von dieser fremden Umgebung ganz direkt inspiriert und das war es ja auch eigentlich, was ich da gesucht hatte."
Friedlis Ziel war es, in diesem Jahr neue Kompositionen für ihre Formation Objets Trouvés zu schreiben und diese dann in einem Live-Setting einzuspielen. Nach zwei CDs, welche die Formation im Studio improvisiert hatte, wollte Friedli mit der neuen Aufnahme die Live-Situation einfangen, denn das sei das grosse Plus von Objets Trouvés. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden im damaligen Laientheater am Zürcher Albisriederplatz entstanden, basierend auf ihren Kompositionen ("Bauplänen", wie Friedli sie selber bezeichnet) eine Art Wanderungen der vier Musiker, ein Durchstreifen der musikalischen Landschaft, bei dem die vier immer wieder vom Freien ins Konkrete kommen, bevor sie wieder auseinanderdriften und jeder das Zusammenspiel auf seinem eigenen Weg sucht. "Was mir wahnsinnig gefällt und darum haben meine Stücke auch oft ganz unterschiedliche Teile - ist das Zusammenkommen und das ganz nahe Beieinanderstehen, nachdem jeder sich in einer grossen Weite bewegt hat. Mir gefallen diese Gegensätze." Die Rückkehr aus der Greina an den Stammtisch im geheizten Stübli klingt in diesen strukturellen Vorstellungen förmlich nach. Dabei bewegen sich Friedlis Kompositionen oft in entgegengesetzter Richtung zum bekannten Schema. Die Wege beginnen im Freien, bei den aufgelösten oder variierten Stimmen, bevor sie in die Verbindlichkeit finden und der Nachhall der Improvisation durch die konkreteren Passagen hindurchklingt, "wobei natürlich auch die offeneren Passagen von mir geschrieben sind - sie sind einfach sehr offen geschrieben".
Und tatsächlich beeindrucken die sechs Stücke auf "Fresh Juice" durch eine wunderbare Vielfalt an Stilen, an Themen und an Stimmungen, was sich auch bereits in den Titelnamen zeigt. Dabei sind zwischen den Klängen, die vom Hörer und von der Hörerin etwas "mehr Einsatz" abverlangen, auch immer wieder Ruheebenen zu finden, auf denen die Kräfte gesammelt und die Eindrücke wieder geordnet werden können. Diese Lichtungen machen die insgesamt recht freie Musik gleichsam vertraut und zugänglich. "Wenn wir spielen, wo auch immer, dann sind die Reaktionen durchgehend positiv"; unverständlich, warum viele Veranstalter vor dieser "zu anspruchsvollen" Musik "zwischen Stuhl und Bank" zurückschrecken.
Objets Trouvés spielen nun schon seit mehr als 14 Jahren zusammen, und die Freundschaft und das gegenseitige Vertrauen, das sich in dieser Zeit entwickelt hat, sind spürbar. "Es war für mich sehr wichtig, von den anderen zu lernen, mich aufs Glatteis zu begeben. Wenn man dann plötzlich auf der Bühne sitzt und den Augenblick geniessen kann, bei dem man nicht mehr weiss, wohin das Ganze führt, dann ist die Angst verschwunden und die Freude über das eigene Wagnis unbeschreiblich."
Die stilistische Vielfalt ist daneben aber auch in Friedlis sehr breiten weiteren Interessen begründet. Ursprünglich klassisch ausgebildet und auch anderen (Non-Jazz-) Klängen angetan, geht Friedli gerne selbst an Konzerte "so viel halt Platz hat", um sich neuen Tönen hinzugeben. "Und von all dem bediene ich mich. Es kommt ja alles von irgendwo her, nichts ist wirklich neu." Klang als angeschwemmtes Treibgut, als Fundstücke, die künstlerisch zu Neuem weiterverarbeitet werden.