Musik für den Restihres Daseins
Sarah Buechi Die 33-Jährige studierte Jazzgesang an der Hochschule Luzern und führt heute ein bewegtes Berufsleben
Wer an Jazz denkt, bewegt sich gedanklich wohl eher in New Orleans oder Chicago als im südindischen Bangalore. Doch genau dort zog es die Jazz-musikerin Sarah Buechi hin, um an ihrer Gesangstechnik zu feilen. «Südindische Musik und Jazz haben mehr gemeinsam, als man denkt», sagt die Luzernerin. So seien Rhythmus und Improvisation bei beiden zentrale Bestandteile.
Eine Offenheit für das Andersartige, aber auch für das Reisen zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Buechi. Aufgewachsen in einer musikalischen Familie die Mutter ist Chorleiterin und Organistin, der Vater Klavierlehrer, Chorleiter und Komponist kam sie zunächst mit Klassik in Berührung. Als Teenager merkte Buechi jedoch bald, dass sie sich mehr zu rhythmischer Musik hingezogen fühlte zu Pop, Rock und eben Jazz. Auch begann sie selbst zu komponieren und schrieb als Maturitätsarbeit am Gymnasium in Glarus ein eigenes Musicaltheater. «Ich hatte dabei so viel Spass, dass ich Tag und Nacht daran arbeitete. Eine Bewerbung an der Jazzschule der Hochschule
Luzern lag also nahe. Dort absolvierte sie ein Bachelor-Studium in Schulmusik mit Hauptfach Jazzgesang und belegte danach die Master-Studiengänge in Pädagogik und Performance. Im Mittelpunkt des Jazzstudiums in Luzern steht die Förderung der eigenen musikalischen Sprache. Dazu braucht es auch theoretisches und musikgeschichtliches Wissen. Diese verschiedenen Komponenten fügen sich sorgfältig ausgewogen zusammen.
Ihr ganz eigener Stil
Es war im Rahmen des Studiums, dass sie den klassischen südindischen Gesang kennenlernte. Buechi war fasziniert und beschloss, nach Bangalore zu reisen, wo sie ein Jahr lang beim Musikerpaar Rama-mani und T.A.S. Mani Unterricht nahm. Eine Art Kulturschock. Dieser bezog sich aber nicht nur auf Land und Leute, sondern auch auf die Musik. «Ich musste bei null anfangen. Die ersten Wochen sass ich gemeinsam mit kleinen Kindern im Unterricht. Doch durch ihre Vorbildung konnte sie schnell aufbauen und gab nach wenigen Monaten ihre ersten Konzerte in Indien.
Zurück in der Schweiz, schloss Buechi ihr Studium an der Hochschule Luzern ab. Das Jahr in Indien wurde ihr angerechnet. Kein Wunder, lacht sie, seien ihre Abschlussarbeiten unter einem indischen Stern gestanden. Was auch für ihr erstes. Album «THALi» gelte.
Heute hört man den indischen Touch nicht mehr direkt, obwohl Buechi nach dem Studium noch für ein weiteres halbes Jahr nach Bangalore ging. «Natürlich sickert alles, was ich lerne, in meine musikalische Persönlichkeit», sagt Buechi. Aber die Einflüsse seien subtiler geworden. Sie hat einen ganz eigenen Stil entwickelt, nicht zu vergleichen mit klassischem Jazz. Eher ist es eine moderne, avantgardistische Ausprägung. Denn: Ihre Musik, so Buechi, müsse nicht allen gefallen. Lieber wolle sie die Leute zum Nachdenken anregen und dazu inspirieren, Dinge zu hinterfragen. Dies tue sie selbst pausenlos.
In Indien hat Buechi viel über kulturelle Prägung gelernt und erlebt, wie es ist, mit eigenen Wahrheiten alleine dazustehen -überstimmt von einer ganzen Kultur. «Das war ernüchternd», sagt Buechi. Doch die Auseinandersetzung mit Kulturen, Religionen und Philosophie inspiriert sie musikalisch.
Auftritte und Unterricht
Dass sie ihren Stil so frei entwickeln konnte, hält sie nicht zuletzt dem Studium zugute: «Die Jazzschule der Hochschule Luzern ist stilistisch sehr offen. Auch die Vernetzung, die die Ausbildung mit sich brachte, sieht sie als Vorteil. So ergaben sich musikalische Aufträge oft durch Kontakte, die sie vor Ort geknüpft hatte.
Seit dem Abschluss ist ihr Lebenslauf eine bunte Mischung aus Ländern, Projekten und teilzeitlichen Festanstellungen: Neben Auftritten als freischaffende Musikerin mit ihrer Band «Flying Letters oder in Formationen mit anderen Künstlem unterrichtete Buechi Jazzgesang am Newpark Music Center in Dublin. Dazwischen zog es sie für Studienaufenthalte nach New York, nach Paris, ja gar nach Ghana. Inzwischen lebt sie der Liebe wegen in London, macht einen Diplomkurs in kompletter Gesangstechnik in Kopenhagen, jettet zu Auftritten und Familien-besuchen in die Schweiz und arbeitet an ihrem dritten Album «Flying Letters - Reconnect». Dieses wird im Herbst beim Label Intakt Records erscheinen.
Die Schweiz ist als Arbeitsort zudem zentraler geworden, weil Buechi soeben. eine Stelle als Gesangsdozentin am Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ) angenommen hat. Hier ist sie auch verantwortlich für den Aufbau eines Jazz-Pop-Rock-Chors. Neben dem Unterrichten arbeitet sie weiterhin als freischaffende Musikerin. «Es ist für mich motivierend, Erfahrungen weiterzugeben, die ich auf der Bühne sammle.»
Für ihre berufliche Zukunft hat Buechi lediglich einen Wunsch: Dass sie Musik machen kann für den Rest ihres Daseins. Berühmt zu werden, interessiere sie nicht. Es reiche ihr, wenn sie genug Publiku...