ERKENNE DICH SELBST UND IMPROVISIERE!
Der Globetrotter Fred Frith lässt sich seine 66 Jahre nicht ansehen, reist noch regelmässig zwischen der Mills University in Kalifornien und der Musik-Akademie Basel hin und her, findet Zeit für CD-Einspielungen und Konzerte, wie demnächst beim unerhört!-Festival in Zürich.
Fred Friths Musik ist vielfältig. Er spielt alles, vom Blues über hard-gecoverten Rock bis zu phantasievollen Experimenten, und erscheint dabei jeweils in ganz verschiedenen Rollen; dabei bleibt er aber immer und vor allem er selber.
ALLEIN
Worin besteht im Falle von Fred Frith der Grund für diese vordergründig banal wirkende Bemerkung? Beginnen wir mit einem Blick auf ein Solo-Konzert von Fred Frith. Da fällt auf, wie viele kuriose Utensilien auf einem Tisch bereitstehen: Kugeln, Bürsten, Behälter, Büchsen mit Kügelchen, Tabakdosen, Ketten, Stäbchen, Pinsel, Kinderspielzeug, Gläser, Bänder, Tücher, dann so explizit instrumentale Gegenstände wie ein (Streicher-)Bogen, Drumsticks und vieles andere mehr. Zu seinen Füssen ist in einem geometrisch perfekten Kreis eine Reihe von über einem Dutzend einzeln zu bedienender Pedale angeordnet, die Frith barfuss mit höchster Feinfühligkeit bedient. Dazu kommt ein verwirrendes Knäuel von Kabeln und eine präparierte Gitarre, die mit den oben erwähnten Objekten bearbeitet wird. Es ist allgemein bekannt, dass der Engländer, der mit einem solch kuriosen Sammelsurium auftritt, auch ein humorvoller Mensch ist, der mit all diesen Kuriositäten einen berauschend kreativen Prozess in Gang zu setzen versteht.
Am 8. Juni dieses Jahres stellte sich Frith in der Basler Gare du Nord nach seiner Vorstellung von gut 40 Minuten Live-Improvisation unter der Moderation von Marcus Weiss dem Publikum zum "Dialog", einer Gesprächsreihe, welche die Hochschule für Musik der Musik- Akademie Basel anbietet.
FORMEN JA, PLAN NEIN
Schalkhaft, aber immer ernst in der Sache antwortete Frith auf die Fragen des Gesprächsführers und der Studenten. Nein, einen Plan habe er nicht, er beginne bei null und versuche, jedes Mal auf anderen Wegen irgendwo hinzukommen. Über die Form mache er sich keine Gedanken: "Du produzierst Form, aber da gibt es keinen Plan. Der Plan ist ein Mechanismus der Angst, um dich zu vergewissern, dass du etwas Wichtiges vorhast nur hat es den gegenteiligen Effekt." Früher habe er eine enorme Serie von Ideen unterbringen wollen, aber das führte ihn zu einem Resultat, in dem er sich nicht selbst erkannte. Gleichzeitig aber mahnt er: "Du darfst nicht zu sehr an die Improvisation denken, sonst läufst du Gefahr, banal zu sein."
ERKENNE DICH UND SEI DU SELBST
Das ist die möglicherweise wichtigste Aussage des Abends: "Egal in welcher Formation du spielst, sei immer du selbst." Es ist dabei nicht wichtig, immer Neues zu produzieren, sondern anderes: "Bleib wach und lebendig! Der Moment zählt, nicht das, was du dir vorher zurechtgelegt hast." Und er setzt in sokratischer Manier nach: "Du musst dich selber gut kennen, wenn du improvisieren willst. Technik allein genügt nicht. Die beste Voraussetzung ist, wenn man sich selber entwickelt, nicht 'nur' die Technik."
Wenn man offen bleibt für Unerwartetes, dann bleibt es spannend und lebendig. So habe er einmal die Gitarre falsch gestimmt und das habe wie türkischer Sound geklungen. Aber was heisst da falsch? Es gibt nicht falsch und richtig, wie das bei einer klassischen Interpretation zum persönlichen Terror eines jeden Musikers gehört. Leider kommt es in der stärksten Bastion für improvisatorische Kunst, dem Jazz, auch immer mehr zu rein akademischen Fragen nach falsch und richtig, was oft auch die Erwartungshaltung der Studenten an einen Dozenten beeinflusst.
PROFESSOR FÜR IMPROVISATION: EIN WIDERSPRUCH?
Da sieht sich Fred Frith auch in einer besonderen Situation mit seinem Lehrstuhl für Improvisation in Basel, wozu er mit ironischem Understatement bemerkte: "Professor für Improvisation, das ist kein guter Titel!" Es gibt natürlich Leute, gerade in der formalisierten Akademiewelt, für die Improvisation ein Genre ist, das man institutionalisieren kann. Und genau das ist für Frith ein Irrtum, denn "Improvisation lebt und funktioniert, wenn du nicht im Vornherein weisst, wohin du gehen wirst". Deswegen lehnt es Frith auch ab, als Experte bezeichnet zu werden und über richtig oder falsch entscheiden zu müssen. Am Rande des akademischen Programms ist sein Improvisationskurs wohl eher als Ergänzung denn als zentrale Beschäftigung der auszubildenden Musiker gedacht. Als Beispiel aus seiner Lehrertätigkeit erwähnt er die erste Begegnung mit den Studenten. In einem Workshop spielt jeder ein Vorstellungs-Solo. Dann schlägt Frith den Studenten vor, ihr Instrument anders zu betrachten, als wären sie Kinder oder sähen es das erste Mal. Dann spielen sie ihr Solo nochmals, natürlich anders. Wichtig dabei ist die Erkenntnis, dass fast alle Studenten finden, ihr zweites Solo sei das bessere.
BLUES IN DER DNA
Auf die Frage eines Studen...